An einem Apriltag 1943 erlebt der Schweizer Chemiker Albert Hofmann plötzlich Wundersames: Sein Bewusstsein geht auf eine irrwitzige Fantasiereise. Per Zufall hat er Lysergsäurediäthylamid entdeckt, den Stoff, der 20 Jahre später als LSD in Kalifornien die aufblühende Hippie-Bewegung berauscht. Den kongenialen Sound zu den bewusstseinserweiternden Trips liefert der Sänger und Gitarrist Jerry Garcia mit seiner Band Grateful Dead (Dankbare Tote).
Garcias Musik prägt nicht nur die Hippie-Ära, sie hält auch ihre Ideale wie keine andere unverfälscht lebendig. Der Mitbegründer des Psychedelic Rock kommt 1942 in San Francisco zur Welt. Mit 17 schmeißt er die Schule, geht zur Army, kifft seine ersten Joints und wird bald wegen Disziplinlosigkeit entlassen. Zurück in San Francisco verdient er sein Geld als Folk-Gitarrist und Banjospieler. Dort lernt Jerry Garcia den Szeneautor Ken Kesey kennen und kommt mit den Ideen des LSD-Propheten Timothy Leary in Kontakt.
Gratiskonzerte statt Flower-Power-Kommerz
Mit Bob Weir, der ihn bis zu seinem Tod begleiten wird, gründet Garcia eine Band, die sich nach mehreren Umbesetzungen The Warlocks nennt. Bald gehören sie zum Stamm der "Acid Tests", der von Kesey inszenierten halluzinogenen Happenings mit dem noch legalen LSD. 1965 tauft sich die Gruppe in Grateful Dead um. Mit ihrem Auftritt beim ersten Pop Festival in Monterey 1967 gewinnt die Band weit über die Westküste hinaus neue Fans. Der legendäre "Summer of Love" markiert das Ende der ursprünglichen Hippie-Szene und den Beginn der Flower-Power-Vermarktung durch die Plattenindustrie.
San Francisco, vor allem der Hippie-Stadtteil Haight Ashbury, wo auch Grateful Dead wohnen, wird nun überrannt vom Blumenkinder-Tourismus mit all seinen negativen Folgen. Die Band flieht aufs Land und während Jefferson Airplane, The Mamas and the Papas oder Santana auf der Kultwelle zu millionenschweren Stars aufsteigen, verweigern sich Garcia und Genossen strikt jeder Kommerzialisierung. Sie gründen eine eigene Plattenfirma, spielen wenig hitfähige Platten mit langen Kollektivimprovisationen ein und geben Gratiskonzerte, die ihre Fans sogar aufnehmen dürfen.
Tod einer amerikanischen Ikone
"Make love, not war" lautet der gängige Slogan, doch mit Sprüchen hat Jerry Garcia nichts im Sinn. "Wir denken über einen friedvollen Planeten nach, nicht über irgendeine Macht, nicht über irgendwelche Kämpfe", betont er in Interviews. "Wir denken auch nicht an Revolution, Krieg oder sonst was in der Richtung." Auch nach Abflauen der Hippiewelle bleibt Jerry Garcias und Bob Weirs' Grateful Dead eine eingeschworene Fan-Gemeinde treu. Wie eine Hippie-Karawane folgen die "Deadheads" ihnen zu jedem ihrer oft vierstündigen Konzerte. Drei Jahrzehnte lang zieht die Band in den USA bei Live-Auftrittten regelmäßig mehr Besucher an als die Rolling Stones.
Seit seiner Jugend konsumiert Jerry Garcia Drogen. Auf Marihuana und LSD folgen später Heroin und Kokain. 1976 fällt er in ein mehrtägiges Koma; dabei wird bei ihm Diabetes festgestellt. Trotzdem gönnt er sich keine Ruhe und ernährt sich weiter miserabel. Neben Auftritten mit Grateful Dead verfolgt Garcia Soloprojekte, malt und designt erfolgreich Krawatten und Hemden. Im Sommer 1995 lässt er sich in eine Drogen-Klinik einweisen, doch es ist zu spät für seinen malträtierten Körper. Am 9. August stirbt der 53-jährige Musiker an einem Herzanfall. Drei Tage später versammeln sich Tausende zu einer Gedenkfeier im Golden Gate Park von San Francisco. Auch Präsident Bill Clinton erweist dem Grateful-Dead-Gründer als "amerikanische Ikone" seine Referenz.
Stand: 01.08.2012
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