Zunächst sind sie gar keine Konkurrenten. Der Engländer Robert Scott will zum Südpol und der Norweger Roald Amundsen zum Nordpol. Doch dann behauptet der US-amerikanische Polarforscher Robert Peary, im April 1909 den Nordpol erreicht zu haben. Amundsen verliert sein Interesse schlagartig und ändert heimlich seinen Plan. Erst unterwegs, auf Madeira, teilt er seiner Mannschaft das neue Ziel mit und schickt Robert Scott ein lapidares Telegramm: "Fahre nach Süden. Amundsen." Der Wettlauf beginnt, zwischen zwei Polarforschern und zwei Nationen.
"Hunde sind etwas für Eskimos, nicht für Engländer!"
Im Januar 1911 erreichen Amundsen und Scott die Antarktis und errichten Basislager - mehrere hundert Kilometer voneinander entfernt. Langsam wird Scott klar, dass er einen ernsthaften Konkurrenten hat. Er notiert in seinem Tagebuch: "Für meine Pläne eine ernstliche Störung, sein Plan scheint ausgezeichnet, darf mich nicht beirren lassen, Vorwärts also ohne Zaudern und Furcht."
Ihrer beider Herangehensweise auf dem Weg zum Südpol könnte unterschiedlicher nicht sein. Scott will die Strecke mit Motorschlitten und Ponys bewältigen und sagt: "Hunde sind etwas für Eskimos, nicht für Engländer!" Amundsen setzt auf Hundeschlitten und Fellkleidung – effiziente Reisemethoden, die er sich während der Erforschung der Nordwestpassage bei den Inuit abgeschaut hat. Als der antarktische Frühling im Oktober naht, marschiert er los, mit fünf Männern, vier Schlitten und 54 Hunden. Zehn Tage später bricht auch die 17-köpfige Scott-Expedition auf.
Die norwegische Fahne flattert am Südpol
Der Umgang mit Kälte ist den Norwegern viel vertrauter als den Briten. Amundsen und seine Männer stecken in dicken, aber luftdurchlässigen Fellanzügen, trotzen selbst Temperaturen von minus 45 Grad Celsius, kommen im Schneesturm gut voran. Die Briten schleppen sich in steif gefrorener Militärkleidung vorwärts. Ihre Ponys werden im Schnee begraben, die Motorschlitten streiken - sie ziehen ihre Schlitten die meiste Zeit selbst. Während Amundsen die Natur bewundert, verzweifelt Scott zunehmend in der Eiswüste. "Wir laufen gegen eine weiße farblose Mauer." Bald erreicht Amundsens Truppe das mehr als 3.000 Meter hoch gelegene Polar-Plateau und darauf den südlichsten Punkt der Erde, 90 Grad südlicher Breite.
Am 14. Dezember 1911 schreibt Amundsen: "Fünf raue, vom Frost mitgenommene Fäuste griffen nach der Stange, hoben die wehende Fahne und pflanzten sie auf. Liebe und Stolz leuchtete aus den fünf Augenpaaren, die zusahen, wie die Flagge sich entfaltete und dann über dem Pol im Wind flatterte." Als Scott und seine Begleiter 35 Tage später am Südpol ankommen, blicken sie entkräftet und verstört auf die norwegische Flagge. Scott schreibt seinerseits: "Das Furchtbare ist eingetreten – das Schlimmste, was geschehen konnte. Die Norweger waren vor uns hier. Amundsen ist der Erste am Pol. Großer Gott! Dies ist ein fürchterlicher Platz." In einem zurückgelassenen Zelt entdeckt Scott einen widerwärtigen Brief von Amundsen: "Sehr geehrter Kapitän Scott! Da Sie wahrscheinlich der Erste sind, der nach uns dieses Gebiet erreicht, möchte ich Sie freundlich bitten, diesen Brief an König Haakon VII. weiterzuleiten."
"Mit graut vor dem Rückweg"
Scott schreibt voller Vorahnung: "Mit graut vor dem Rückweg." Immer wieder verkeilt sich ihr Schlitten in den Eisspalten, sie stolpern mehr als dass sie gehen. Sie haben Erfrierungen überall im Gesicht. Zu diesem Zeitpunkt ist Amundsen bereits in Tasmanien. Scott und seine Gefährten werden erst im folgenden Polarsommer tot aufgefunden, nur 20 Kilometer vom nächsten Vorratslager entfernt.
Stand: 14.12.2011
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