Stichtag

6. Februar 1936 - Olympia in Garmisch-Partenkirchen eröffnet

"Ich erkläre die vierten Olympischen Winterspiele in Garmisch-Partenkirchen für eröffnet", verkündet Reichskanzler Adolf Hitler am 6. Februar 1936 im dortigen Skistadion. Gerne hätte der Diktator noch länger geredet, doch er hält sich an das Reglement des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Die Judenverfolgung der Nazis hat Hitlers internationales Image ramponiert, das er nun mit den Spielen aufpolieren möchte. Dafür bricht er sogar mit seinen eigenen Grundsätzen: In der NS-Ideologie gilt Olympia eigentlich als "jüdisch-pazifistisches Teufelszeug", sagt Alois Schwarzmüller, Historiker aus Garmisch-Partenkirchen. "Die Nazis wollten überaus glanzvolle Spiele, wenn auch in der Atmosphäre einer gewaltsam erzwungenen Friedhofsruhe."

Dafür wird bereits vor den Spielen gesorgt: Gezielt werden rund 200 politische Gegner am Austragungsort in sogenannte Schutzhaft genommen. Die beiden unabhängigen Gemeinden Garmisch und Partenkirchen müssen sich gegen ihren Willen zusammenschließen. Die Hetzkampagnen gegen jüdische Bürger werden für die Dauer der Spiele ausgesetzt. Hitler verfügt persönlich, dass im neu entstandenen Ort Tafeln mit der Aufschrift "Juden unerwünscht" entfernt werden.

Nazi-Sympathien im IOC

Schon 1934 haben US-Sportler mit einem Boykott der Olympischen Spiele in Deutschland gedroht, weil die Nazis immer wieder die Trainingsmöglichkeiten jüdischer Sportler beschneiden. Ausgerechnet das amerikanische IOC-Mitglied Avery Brundage sorgt dann aber für einen Stimmungswandel. Nachdem er Deutschland bereist hat, kommt er zum Schluss, dass angeblich keinerlei Diskriminierung jüdischer Sportler feststellbar sei. Der spätere IOC-Präsident Brundage sympathisiert mit den Nazis: "In einem Gespräch mit einem jüdischen Sportfunktionär in Berlin hat er gesagt: Was Sie mir da erzählen, das gibt es bei mir in Chicago genauso, in meinem Club haben die Juden auch keinen Zutritt", so Historiker Schwarzmüller. Mit zwei Stimmen Mehrheit spricht sich die amerikanische Athletik-Union schließlich für die Teilnahme aus - zur Freude des IOCs, das sich angesichts eines möglichen Boykotts um den Fortbestand der Olympischen Spiele gesorgt hatte.

Bei den Spielen in Garmisch-Partenkirchen, das nur knapp 100 Kilometer vom Konzentrationslager Dachau entfernt ist, kommt es zu einer Rekordbeteiligung: 650 Athleten aus 28 Ländern reisen an. Die Nazis nutzen die Chance, um sich als vermeintlich weltoffene Gastgeber zu präsentieren. Sie demonstrieren der internationalen Presse, wie perfekte Organisation und Vermarktung auszusehen haben. Alle Nazi-Größen zeigen sich bei den Spielen: Hermann Göring, Joseph Goebbels, Heinrich Himmler. "Hitler war sogar an drei Tagen da", sagt Schwarzmüller.

Goebbels: "Der Aufwand hat sich gelohnt"

Nach zehn Tagen gehen die Spiele am 16. Februar 1936 mit dem Skispringen und den Siegerehrungen zu Ende. Dass Deutschland bei der Nationenwertung hinter Norwegen nur den zweiten Platz belegt, lässt sich für die Nazis angesichts des Imagegewinns verschmerzen. "Goebbels hat das auch in seinem Tagebuch festgehalten", sagt Schwarzmüller. "Er schrieb: Der Aufwand hat sich gelohnt." Drei Wochen nach dem Ende der Spiele besetzt die deutsche Wehrmacht das damals entmilitarisierte Rheinland. Ein Verstoß gegen den Versailler Vertrag, der dank des gewonnen Renommees aber folgenlos bleibt.

Garmisch-Partenkirchen wird ein international renommierter Fremdenverkehrsort. Mit den Winterspielen 1936 lässt sich werben, auch nach dem Zweiten Weltkrieg. Bei regelmäßigen Jubiläumsfeiern wird ausschließlich das sportliche Großereignis gewürdigt, der politische Hintergrund wird dabei ausgeblendet. "1996 wurde sogar ein rechtsextremistischer Herausgeber für die Jubiläumsbroschüre gewonnen", sagt Schwarzmüller. Mittlerweile hat sich einiges verändert: Im Februar 2011 wird in Garmisch-Partenkirchen eine Ausstellung mit dem Titel "Olympia unterm Hakenkreuz" eröffnet - gerade rechtzeitig, denn vor kurzem hat München zusammen mit Garmisch-Partenkirchen die Bewerbung für die Winterspiele 2018 eingereicht.

Stand: 06.02.2011

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