Stichtag

28. Juni 2009 - Vor 90 Jahren: Friedensvertrag von Versailles unterzeichnet

Der Erste Weltkrieg endet am 11. November 1918 mit der Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommens in Compiègne, nördlich von Paris. Anschließend beraten die Siegernationen Frankreich, Großbritannien und die USA monatelang über einen Friedensvertag. Das besiegte Deutschland wird an den Verhandlungen nicht beteiligt, denn der gegenseitige Hass ist groß. Der vierjährige Krieg ist nicht auf deutschen Boden ausgetragen worden, die Schlachten haben aber große Teile Belgiens und Frankreichs verwüstet. Vor allem die Franzosen wollen ihren Erzfeind Deutschland für immer schwächen. Harte Friedensverträge haben damals Tradition, sagt Historiker Gerd Krumeich von der Universität Düsseldorf: Nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/1871 gründete Reichskanzler Otto von Bismarck im Spiegelsaal von Versailles das Deutsche Kaiserreich. Die Kaiserproklamation in Versailles war eine Demütigung für das besiegte Frankreich, das Kriegsentschädigung bezahlen und Elsass-Lothringen abgeben musste.

Nun, nach dem Ersten Weltkrieg, sollen die Deutschen zahlen. Der Entwurf des Friedensvertrages wird dem deutschen Außenminister Ulrich Graf von Brockdorff-Rantzau (parteilos) am 7. Mai 1919 ausgehändigt. Dieser hält seine Stellungnahme dazu aus Protest sitzend: "Es wird von uns verlangt, dass wir uns als die Alleinschuldigen am Kriege bekennen. Ein solches Bekenntnis wäre in meinem Munde eine Lüge." Die Deutschen machen Änderungsvorschläge. Doch die Sieger bleiben hart. Ihre Bedingungen: Deutschland verliert ein Siebtel seiner Fläche und ein Zehntel seiner Bevölkerung, zudem alle Kolonien und die Hochseeflotte. Die linksrheinischen Gebiete werden bis zu 15 Jahre lang besetzt, die Saargruben fallen für die gleiche Dauer an Frankreich. Deutschlands Armee wird auf 100.000 Mann begrenzt, Panzer verboten, genauso wie Flugzeuge und U-Boote. Dazu kommen Reparationszahlungen.

In Deutschland herrscht Entsetzen. "Die Alliierten lehnen jede Modifikation und jeden Vorbehalt ab und verlangen unveränderte Annahme des Friedensdiktats. Hier wird ein besiegtes Volk an Leib und Seele vergewaltigt wie kein Volk je zuvor", sagt Reichsministerpräsident Gustav Bauer (SPD) vor der Nationalversammlung. Trotzdem appelliert er an die Abgeordneten, zuzustimmen. Denn bei Ablehnung des Vertrages droht ein alliierter Einmarsch ins Reich und die Aufteilung Deutschlands in Kleinstaaten. Die Regierung tritt zurück, die neue fügt sich. Außenminister Hermann Müller (SPD) und Verkehrsminister Johannes Bell (Zentrum) reisen nach Versailles und unterschreiben am 28. Juni 1919 im Spiegelsaal die Urkunde mit den 440 Artikeln. In Deutschland wird der Friedensvertrag als "Schandfrieden" oder "Diktat von Versailles" bezeichnet - und so zum nationalistischen Kampfbegriff, den die Rechtsextremisten gegen die Weimarer Republik einsetzen. Adolf Hitler wird 1933 unter anderem auch Reichskanzler, weil die meisten Deutschen immer noch eines wollen: Rache für Versailles. "Öfter hat es kein Mensch erklärt und kein Mensch niedergeschrieben, was er will, als ich es getan habe. Ich schrieb immer nieder: Beseitigung von Versailles!", sagt Hitler am achten Jahrestag der Machtübernahme.

Stand: 28.06.09