Stichtag

28. Februar 1986 - Olof Palme wird in Stockholm erschossen

Stockholm, 28. Februar 1986: Der schwedische Ministerpräsident Olof Palme besucht am Abend mit seiner Frau Lisbeth in der Innenstadt eine Kinovorstellung - wie so oft ohne Leibwächter. Mit dabei ist Marten, einer der drei Söhne des Ehepaares. Der Film endet kurz vor 23.30 Uhr. Der Sohn verabschiedet sich, seine Eltern machen sich zu Fuß auf den Heimweg. An einer Straßenecke tritt plötzlich ein Unbekannter von hinten an die Palmes heran und zieht eine Pistole. Es fallen zwei Schüsse. Palme wird tödlich getroffen, der mutmaßliche Täter flüchtet zu Fuß.
Die anschließende Suche nach dem Tatverdächtigen entwickelt sich zu einer der merkwürdigsten Ermittlungen seit dem Kennedy-Attentat und der Moro-Entführung. Der Berliner Publizist Klaus Knapp hat die Ungereimtheiten dokumentiert: Bei der Fahndung werden weder Brücken noch Ausfallstraßen gesperrt, landesweiter Alarm wird erst drei Stunden nach dem Attentat ausgelöst. "Dabei wird aus unbegreiflichen Gründen nach einem Mörderduo von der kroatischen Ustascha gefahndet - obwohl allen Zeugen zufolge ein einzelner skandinavisch aussehender Mann geschossen hat", so Knapp.

Polarisierender Sozialdemokrat

Sozialdemokrat Palme hat Schweden insgesamt elf Jahre lang regiert. Er gilt als Ministerpräsident zum Anfassen. "Er wollte sich nie nach vorne drängen oder sich im Glanz der Popularität sonnen", erinnert sich seine Parteifreundin Marita Ulvskog. Wie Willy Brandt (SPD) in der Bundesrepublik begeistert Palme Ende der 1960er Jahre vor allem junge Menschen. 1969 wird er zum ersten Mal Ministerpräsident. Sein Regierungsprogramm ist undogmatisch und pazifistisch. Er kritisiert die USA wegen ihrer Angriffe während des Vietnam-Kriegs: "Die Bombardierungen sind ein Verbrechen." Auch bei anderen Gelegenheiten stößt Palme die westlichen Staaten vor den Kopf: Er trifft sich mit dem kubanischen Staatschef Fidel Castro und PLO-Führer Yassir Arafat; er setzt sich für atomare Abrüstung ein; er verurteilt die Apartheidspolitik in Südafrika und das Vorgehen Israels im Libanon; er engagiert sich für den "Freiheitskampf" der Sandinisten in Nicaragua.

Verschiedene Verschwörungstheorien

Gut eine Woche nach der Ermordung Palmes nimmt die schwedische Polizei einen Rechtsextremisten fest. Kurz darauf ordnet die Staatsanwaltschaft jedoch seine Freilassung an, weil die Beweislage zu dünn ist. Gerüchte entstehen: Als vermeintliche Verschwörer werden etwa die kurdische Arbeiterpartei PKK, der türkische Auslandsgeheimdienst, die skandinavische Rüstungsindustrie, ein geheimes Nato-Kommando, die CIA, die RAF und die Regierung Südafrikas genannt. Doch Indizien und Zeugenaussagen deuten bald auf ein Mordkomplott unter Beteiligung schwedischer Polizisten hin, wie Journalisten herausfinden. Dann präsentieren die Fahnder plötzlich einen Verdächtigen: Der Staatsanwalt beschuldigt den drogensüchtigen Christer Pettersson des Mordes. Er wird zu lebenslanger Haft verurteilt, nachdem ihn die Witwe Palmes bei der Tat erkannt haben will. In zweiter Instanz wird Pettersson jedoch aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Auch die Möglichkeit, dass er Palme aus Versehen erschoss, weil er eigentlich seinen Drogendealer umbringen wollte, wird erfolglos geprüft.

Rechtsextreme Polizisten beteiligt?

Inzwischen verdichten sich Hinweise auf einen sogenannten Inside-Job der "Normallen"-Polizei, einer Abteilung der Stockholmer Behörde. Die Recherchen von Knapp und anderen ergeben ein bizarres Bild: Angeblich soll bei einem Fest der "Normallen"-Polizei einen Tag nach dem Mord an Palme auf dessen Tod angestoßen worden sein. Weitere Indizien weisen auf eine Beteiligung rechtsextremer Polizisten an dem Attentat hin. Doch der damalige Fahndungsleiter Hans Ölvebru erklärt: "Die einzige Spur, mit der zu befassen ich mich weigere, ist die Polizeispur." Noch immer ist ungeklärt, wer Palme umgebracht hat. Das schwedische Parlament hat kürzlich eine Verjährung des Falles aufgehoben. Die Ermittlungen können weiter gehen.

Stand: 28.02.2011

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