Stichtag

23. September 2006 - Vor 90 Jahren: Aldo Moro wird geboren

Am Morgen des 16. März 1978 stoppt ein Kommando der Roten Brigaden in Rom den Wagen des italienischen Spitzenpolitikers Aldo Moro. Seine fünf Leibwächter sterben im Kugelhagel, Moro wird entführt. Nach 55 Tagen Geiselhaft wird die Leiche des Vorsitzenden der christdemokratischen Partei am 9. Mai in der Innenstadt von Rom im Kofferraum eines Autos gefunden. Die Forderungen der Linksterroristen nach Freilassung inhaftierter Gesinnungsgenossen sind nicht erfüllt worden. Die Familie Moro wirft den damals Regierenden - insbesondere dem Christdemokraten Giulio Andreotti - vor, den Tod mitzuverantworten. Denn sie haben Verhandlungen mit den Roten Brigaden strikt abgelehnt.Geboren wird Aldo Moro  am 23. September 1916 in Maglie im süditalienischen Apulien. Seine Mutter ist Lehrerin, sein Vater Schuldirektor. Zum Studium geht Moro nach Bari, wo er sich für Jura einschreibt, Fachrichtung Strafrecht. In Italien regieren zu dieser Zeit die Faschisten. Moro engagiert sich in einer katholischen Organisation, die regime-unabhängig bleibt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wird der Christdemokrat mehrfach italienischer Ministerpräsident und Außenminister. In den 70er Jahren arbeitet Moro an einer Annäherung zwischen Christdemokraten und den Kommunisten. Er will die Kommunistische Partei Italiens in die Regierung einbinden. Das gefällt weder der Mehrheit seiner eigenen Partei noch den westlichen Verbündeten. Im Januar 1978 erklärt das US-State-Departement, es sei "gegen eine Beteiligung von Kommunisten an den Regierungen befreundeter Länder".

Die Entführung von Aldo Moro durch die Roten Brigaden ist der Höhepunkt einer Gewaltwelle, die Italien seit Mitte der 70er Jahre erschüttert. Anschläge auf Politiker und Wirtschaftsführer sind an der Tagesordnung. Die Umstände der Entführung sind allerdings voller Ungereimtheiten: Zur Tatzeit ist ein Oberst des italienischen Geheimdienstes am Tatort. Er gibt später zu Protokoll, er sei von einem Freund zum Mittagessen eingeladen worden. Trotz Hinweisen aus der Bevölkerung wird der Rotbrigadist Mario Moretti von der Polizei nicht beschattet. Er fährt jeden Morgen unbehelligt von seiner Wohnung in das Haus, in dem Moro festgehalten wird, um ihn zu verhören. Der Krisenstab, der mit der Suche nach Moro betraut ist, besteht - wie Anfang der 80er Jahre bekannt wird - aus Mitgliedern der Geheimloge P2. Die P2 will in Italien ein autoritäres Regime einführen. Sie ist für Bombenanschläge auf italienische Zivilisten verantwortlich, schiebt sie aber linken Gruppen in die Schuhe. Auf diese Weise soll ein Rechtsruck in der Bevölkerung ausgelöst werden. Sergio Flamigni, der als Senatsmitglied die Parlamentarische Untersuchungskommission zum Fall Moro geleitet hat, ist überzeugt: Der Krisenstab wollte Moro nicht finden.

Stand: 23.09.06