2. März 1991 - Todestag von Serge Gainsbourg

"Salut les p’tits gars et les pisseuses! - Hallo Jungs und Pissnelken!" begrüßt Serge Gainsbourg 1988 sein Publikum in der Pariser Konzerthalle Zénith - und hält seinen völlig verängstigten vierjährigen Sohn Lulu hoch. Für ihn hat er eine Art Testament komponiert: "Wenn ich auf einer Wolke zwischen Schumann und Strawinsky sitzen werde, pflanz' ein paar Brennnesseln auf mein Grab", singt er.

Der französische Sänger und Komponist ist bekannt für seine provokanten Auftritte. Er trinkt und raucht auf der Bühne, verbrennt Geldscheine in einer Fernsehsendung oder pöbelt andere Rockstars an. Der Rebell sagt 1978 in einem Radiointerview: "Das hilft mir, am Morgen aufzustehen. Ich bin träge, ein Träumer. Also muss ich mich selbst ein bisschen aufrütteln - durch versnobte, negative, spöttische und provozierende Äußerungen."

Leben hinter Masken

Serge Gainsbourg präsentiert sich Publikum und Medien als Künstler mit extrem unterschiedlichen Facetten: Je nach Lebensphase spielt er den schüchternen Dandy, den skandalumwitterten Provokateur oder den zynischen, stoppelbärtigen Erotomanen. Gainsbourg sagt über sich selbst: "Ich glaube, ich verstecke mich seit zwanzig Jahren hinter einer Maske und kann sie nicht mehr ausziehen, sie klebt fest an mir. Davor spielt sich die Maskerade des Lebens ab. Dahinter steckt ein Neger: Das bin ich."

Hakennase und Glupschaugen

Geboren wird er 1928 als Lucien Ginzburg, als Sohn eines jüdisch-russischen Barpianisten in Paris. Ein Kunststudium bricht er ab und macht fortan Musik – für sich selbst und für andere Künstler wie Juliette Gréco, Françoise Hardy und für France Gall, die mit Gainsbourgs Lied "Poupée de cire, poupée de son" 1965 den Eurovision Song Contest gewinnt. Juliette Gréco erinnert sich an die erste Zusammenarbeit: "Gainsbourg kam zu mir nach Hause. Er war krankhaft schüchtern, sagte kein Wort. Ich gab ihm einen Whisky. Er nahm das Glas, und weil er vor lauter Angst und Schrecken schweißnasse Hände hatte, rutschte es ihm aus der Hand, fiel auf den Boden und zersprang in tausend Stücke ... Am nächsten Tag rief er an und sagte, er habe ein Lied für mich."
Gainsbourg findet sich mit Hakennase, Segelohren und Glupschaugen hässlich, trotzdem macht er Eindruck auf die Frauen: Er heiratet zwei Mal und hat zahlreiche Liebesaffären, unter anderem mit Brigitte Bardot.

Gainsbourg wird in London nicht erkannt

Gainsbourgs Kompositionen sind vielfältig: In seiner 30-jährigen Bühnenkarriere schreibt er rund 300 Songs und 50 Filmmusiken - mit Elementen des Jazz, Rock, Pop, Funk oder Reggae. Auf dem Album "Gainsbourg percussions" lässt er sich ausschließlich von Perkussionsinstrumenten begleiten. Einige Konzeptalben sind von der klassischen Musik beeinflusst. "Ich habe mit Scarlatti, Bach und Chopin Klavierspielen gelernt, mit den Nocturnes, Etüden, Präluden. Und dann Gershwin, Cole Porter, Jazz -Ausbildung eben! Nicht wie die kleinen Rocker, die ein paar Akkorde zupfen und meinen, das wär's. Das stimmt nicht. Ich glaube sehr an Schulung."
Die Chansons, die ihn in Frankreich berühmt machen - wie zum Beispiel "Poinçonneur des Lilas" - nennt er dagegen "Minderwertiges für Minderjährige". Weltweite Aufmerksamkeit bringt ihm das Stöhnduett "Je t'aime … moi non plus" ein, zuerst aufgenommen im Jahr 1967 mit Brigitte Bardot, dann zwei Jahre später mit Jane Birkin. Der Titel wird - trotz des Textes in französischer Sprache - ein weltweiter Skandalhit, der auch im Ausland die ersten Plätze der Charts belegt. Wegen Textzeilen wie "Ich gehe und komme zwischen deinen Lenden" boykottieren viele Radiostationen das Lied zunächst - der Vatikan protestiert.
Ein Star ist Gainsbourg zu seinen Lebzeiten vor allem in Frankreich, nur dort werden seine meist französischen Texte voller Wortspiele und provokanter Aussagen verstanden. Es ärgert ihn, wenn er auf den Straßen von London nicht erkannt wird - international bekannt wird er erst nach seinem Tod. Serge Gainsbourg stirbt am 2. März 1991 in Paris.

Stand: 02.03.2011

Programmtipps:

Auf WDR 2 können Sie den Stichtag immer gegen 9.40 Uhr hören. Wiederholung: von Montag bis Freitag gegen 17.40 Uhr und am Samstag um 18.40 Uhr. Der Stichtag ist in den vier Wochen nach der Ausstrahlung als Podcast abrufbar.

"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.05 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 2. März 2011 ebenfalls an Serge Gainsbourg. Auch das "ZeitZeichen" gibt es einen Monat lang als Podcast.