"Je t'aime" - sie säuselt, sie seufzt, sie stöhnt. 1969 katapultieren sich eine flachbrüstige Engländerin und ein verlebter französischer Dandy mit heftigem Liebesgestöhn an die Spitze der Hitparaden: Jane Birkin im Takt mit Serge Gainsbourg. Hätte die aparte Britin nicht einen adretteren Partner für ihr Duo verdient? "Ach was! Eine hübsche Frau muss mit einem hässlichen Mann zusammen sein. Sonst machen sie sich doch Konkurrenz! Die Schöne und das Biest: perfekt!", meint Gainsbourg damals. In Frankreich darf der Song nur nach 23 Uhr ausgestrahlt werden. In Italien geht die Single in Plattenhüllen der Operndiva Maria Callas über die Ladentheken. Die BBC spielt die Platte monatelang nicht, der Vatikan lässt sie auf den Index setzen. Das berühmt-berüchtigte Bettgeflüster ist ursprünglich ein Geschenk des Chansonier s Gainsbourg an seine Geliebte Brigitte Bardot. "Er kam aus der Beziehung zu Bardot, es ging ihm nicht gut. Ich war 20 Jahre jünger", erinnert sich Birkin, die am 14. Dezember 1946 in London geboren ist. "Die Leute sahen in Serge den brillanten Intellektuellen und in mir das junge Ding aus England." Sie glaubt: "Ich war für alle das liebenswerte Dummchen."
Fortan schreibt Gainsbourg Lieder für sie. Die Tochter einer Theaterschauspielerin und eines Royal-Navy-Kommandanten wird zur Muse des melancholischen Komponisten. Sie interpretiert seine Chansons mit Erfolg. Die Liebe des Kultpaares zerbricht 1980 an Gainsbourgs Alkoholsucht. Birkin, die 1966 in Michelangelo Antonionis Kultfilm "Blow Up" mit Nacktaufnahmen erstmals für Schlagzeilen sorgte, knüpft nun wieder an alte Erfolge an. Die Schauspielerin überzeugt in Herbert Veselys "Exzesse" als Modell und Geliebte des Malers Egon Schiele. Sie spielt Theater und inszeniert ihre erste eigene Show. Birkins Wechsel vom Püppchen ins Charakterfach gelingt endgültig, als 1988 Agnès Vardas Film "Die Zeit mit Julien" anläuft. Er erzählt die Liebesgeschichte einer 40 Jahre alten Frau und einem 15-jährigen Jungen.
Als Serge Gainsbourg 1991 stirbt, trauert Birkin mit den Fans um ihren Ex-Mann: "Er ist ein Fleck, der hoffentlich bleiben und ein Teil von mir sein wird. Ich kann und will es nicht anders." Dennoch geht sie nun ihren eigenen Weg: "Als ich das Mikro auf die Bühne legte, haben die Leute gedacht, ich würde nicht mehr singen, weil ich keinen Autor mehr hatte. Und dann habe ich doch wieder angefangen - nach Janes Art." Sie lebt in Paris und hat drei längst erwachsene Töchter von drei verschiedenen Partnern: Kate Barry, Charlotte Gainsbourg und Lou Dillon. Die Skandal-Lolita der 60er Jahre steht weiterhin auf der Bühne und engagiert sich gegen Aids und Rassismus.
Stand: 14.12.06