Im August 1964 melden zwei Zerstörer der US-Navy mehrmals kommunistischen Torpedo-Beschuss. Die amerikanischen Kriegsschiffe befinden sich vor der vietnamesischen Küste im Golf von Tonkin. Die Sache scheint klar: ein unprovozierter Angriff auf eine unbeteiligte Nation.
Doch die USA sind längst in den Vietnamkrieg verwickelt: Seit 1954 ist das Land geteilt in einen kommunistischen Norden und einen von Amerika unterstützten Süden. 17.000 US-Militärberater unterstützen die südvietnamesische Armee bei Geheim-Operationen in Nordvietnam - koordiniert von Kriegsschiffen, die im Golf von Tonkin patrouillieren.
Johnson in Zwickmühle
Die Regierung Südvietnams steht unter Druck: "Die kommunistischen Rebellen kontrollieren weite Teile des Landes", sagt Marc Frey, Geschichtsprofessor an der Universität der Bundeswehr München. "Und für die Amerikaner stellt sich die Frage: Wie gehen wir damit um?"
US-Präsident Lyndon B. Johnson steckt in der Zwickmühle. Den Krieg hat er von seinem Vorgänger John F. Kennedy geerbt. Johnson aber präsentiert sich als Friedenspräsident. Wiederholt erklärt er, keine Soldaten in einen 10.000 Meilen entfernten Konflikt schicken zu wollen.
Aus der Schublade
Auf der anderen Seite will Johnson keine Schwäche zeigen: 1964 ist Präsidentschaftswahlkampf in den USA. Die Republikaner werfen Demokrat Johnson vor, er verhelfe mit seiner Untätigkeit den Kommunisten in Südvietnam zum Sieg.
Daher nutzt Johnson den Zwischenfall im Golf von Tonkin, um am 7. August 1964 eine Vorlage durch den Kongress zu bringen, die schon einige Zeit in der Schublade liegt. Diese sogenannte Tonkin-Resolution sei ein Blankocheck für den Präsidenten gewesen, sagt Vietnamkrieg-Experte Frey: "Das war die rechtliche Grundlage der Entsendung von Bodentruppen."
Bewusste Desinformation
Wie Jahre später bekannt wird, hat es die Attacke auf US-Schiffe jedoch nie gegeben. Ein Radarfehler hatte dafür gesorgt, dass die beiden Zerstörer stundenlang ihren eigenen Schatten jagten. Die Regierung wusste früh darüber Bescheid.
Trotzdem berichtet US-Verteidigungsminister Robert McNamara der internationalen Presse vor einer Karte von Vietnam detailliert von den angeblichen Attacken.
Intern bekannt
Öffentlich erklärt der Präsident zwar: "Wir wollen keine Ausweitung des Krieges." Doch intern ist klar: "Unsere höchste Priorität war, die Ausweitung des Krieges kurz nach den Wahlen vorzubereiten", sagt Daniel Ellsberg, damals Mitarbeiter im US-Außenministerium. "Wir alle in der Regierung wussten das."
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 7. August 2019 ebenfalls an die Ermächtigung von US-Präsident Johnson zum Vietnamkrieg. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
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