Seine Lieder sind kritisch, poetisch und unangepasst – so wie die seines französischen Vorbildes Georges Brassens. Und wie Bob Dylan, sein anderes Vorbild, hat sich Hannes Wader nie als Stimme einer politischen Bewegung vereinnahmen lassen. Sein eigenes Leben und wie er die Welt sieht, das sind zeitlebens die Themen des hageren Barden aus Ostwestfalen.
Mehr als 40 Alben hat Hannes Wader in seiner Karriere zur Gitarre besungen. Schon mit drei Jahren soll der am 23. Juni 1942 in Bielefeld geborene Sohn eines Landarbeiters und einer Putzfrau bei Familienfesten "Auf der Reeperbahn nachts um halb eins" zum Besten gegeben haben. Mit 13 Jahren verlässt er die Schule und macht eine Lehre als Dekorateur.
Der große Durchbruch auf der Burg Waldeck
Im Mandolinenverein seines Vaters, eines engagierten Sozialdemokraten, erhält Hannes Wader seine musikalische Ausbildung. "Hauptsächlich aber habe ich Gitarre spielen gelernt, um Mädels anzumachen", gesteht der Liedermacher. Als ihm sein Chef wegen "Musizierens während der Arbeitszeit" kündigt, zieht es den 20-Jährigen nach West-Berlin, wo er Grafik studiert und als Straßenmusiker jobbt. Dort wird Wader von ganz neuen Musikstilen inspiriert: Rock, Folk und Country, vor allem aber von den bissig-ironischen Chansons Georges Brassens'.
Mitte der Sechziger gelingt Wader der Durchbruch in der linken Subkultur. Deren Treffpunkt ist das Festival Chanson Folklore International auf der Burg Waldeck im Hunsrück, Deutschlands erstes Open-Air-Festival. Chansonnier Reinhard Mey, die Protestsänger Franz-Josef Degenhardt, Dieter Süverkrüp und Kabarettist Hanns Dieter Hüsch starten dort ihre Karrieren. Mit nur drei Liedern im Gepäck wagt sich Hannes Wader 1966 auf die Waldeck und wird enthusiastisch gefeiert.
Im Visier der RAF-Fahndung
Sich politisch zu betätigen oder zu äußern hat Wader eigentlich nicht vor: "Die Forderung kam von außen auf mich zu." Er taucht in die 68er-Studentenproteste ein und wird zum Barden der keimenden Friedensbewegung. Mit "Heute hier, morgen dort", schreibt er 1972 seinen bekanntesten Song. Doch der Erfolg bringt Probleme mit sich: "Plötzlich löste sich alles auf, auch meine sozialen Bindungen. Ich hatte viel mehr Geld als all die anderen, mit denen ich sonst normalerweise umging."
Kurz darauf erlebt Wader den Tiefpunkt seines Lebens: "Ich wurde von einem Tag auf den anderen verhaftet." Unwissentlich hatte er seine Wohnung an die RAF-Terroristin Gudrun Ensslin untervermietet. Jahrelang wird Wader deshalb als potenzieller Staatsfeind observiert, im Radio wird er boykottiert. "Eine ganz fürchterliche Zeit" für den Sänger: "Die hab ich eigentlich nur mit Schnaps und Zigaretten überstanden". Wader zieht sich in eine alte Mühle in Nordfriesland zurück, veröffentlicht Shanties, plattdeutsche Lieder und tritt in die DKP ein.
Großes Comeback mit Konstantin Wecker
Irgendwo habe er wieder dazugehören wollen, auch weltanschaulich, verteidigt Hannes Wader sein Engagement für die Kommunisten. Die Normal-Parteien seien da natürlich überhaupt nicht infrage gekommen. "Eine Weile lang war das gut und richtig für mich, vielleicht sogar lebensrettend." Viele Fans aber sind enttäuscht von ihrem gefallenen Freidenker-Idol. Mit Kommentaren wie "Du Kommunistenschwein, du hast uns verraten!" schicken sie Wader ihre zerbrochenen Platten ins Haus.
1991 tritt Hannes Wader wieder aus der DKP aus. Nach 25 Jahren an der Nordseeküste ist der Volkssänger ohne Publikum pleite. 1998 zieht er mit Frau, Sohn und Tochter in eine Mietwohnung nach Kassel. An der Seite seines Kollegen Konstantin Wecker feiert Hannes Wader in den 2000ern ein großes Comeback, das mit dem Echo für sein Lebenswerk gekrönt wird. Im Herbst 2017 will der letzte klassische Liedermacher der Burg-Waldeck-Ära mit einer Deutschland-Tour von der Bühne Abschied nehmen. Das ewige "heute hier, morgen dort" – mit 75 Jahren wird ihm das zu anstrengend.
Programmtipps:
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 23. Juni 2017 ebenfalls an Hannes Wader. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
Stichtag am 24.06.2017: Vor 85 Jahren: Greenpeace-Gründer David McTaggart geboren