26. April 1956 - Erstes Containerschiff der Welt sticht in See

Stand: 26.04.2016, 00:00 Uhr

Im globalen Gütertransport heißt das Grundmaß aller Dinge Twenty-foot Equivalent Unit (TEU). Es ist die Norm für Standardcontainer, von denen rund 38 Millionen Stück um die Erde reisen: 6,058 Meter hoch, 2,438 Meter breit und 2,591 Meter hoch. Zwei TEU entsprechen exakt der doppelt so großen Forty-foot Equivalent Unit (FEU). Achtmal übereinander stapelbar, können die Stahlkisten überall auf der Welt passgenau vom Schiff auf die Eisenbahn oder auf Sattelschlepper umgeladen werden.

Ohne die normierte Transportkiste geht im Welthandel nichts mehr. Vorläufer der Container sind bereits im Zweiten Weltkrieg im Einsatz. Die US Army schafft Waffen, Munition und Versorgungsgüter in sogenannten "Conex"-Boxen nach Europa. Als Leergut werden sie an der Front zu provisorischen Baracken oder Toiletten umfunktioniert. Die eigentliche Revolution des internationalen Frachtwesens aber beginnt erst, als der Reeder Malcom McLean 1956 das erste Containerschiff der Welt auf die Reise schickt.

Weltkriegstanker wird zum Container-Muli

Der 1913 geborene Farmerssohn aus North Carolina spart sich als Tankwart seinen ersten Lastwagen zusammen. Er beweist Unternehmertalent und seine McLean Trucking Company gedeiht. 1937 steht Malcom McLean mit einem Truck voll Baumwolle im Hafen von Hoboken gegenüber von Manhattan. Die Stauer brauchen Tage, um mühsam Ballen für Ballen ins Schiff zu verladen - Zeit, in der McLean keinen Cent verdient. "Was wäre", fragt sich der Jungunternehmer, "wenn mein Truck einen Auflieger hätte, der komplett ins Schiff verladen werden kann?" Die profitablen Vorteile liegen klar auf der Hand. Bei den Reedereien findet der Kleinspediteur jedoch kein Gehör für seine weitreichenden Pläne.

McLeans Ehrgeiz stachelt die Abfuhr umso mehr an. Innerhalb weniger Jahre baut er seine McLean Trucking Company zur zweitgrößten Spedition der USA aus; 1955 gebietet er über eine Flotte von 1.800 Lastwagen. Um seine Container-Idee zu verwirklichen, geht McLean nun aufs Ganze: Er verkauft für 25 Millionen Dollar drei Viertel seiner Firma und investiert in Schiffe, darunter die Ideal X, ein Marine-Tanker aus der Weltkriegsflotte. Nach einigen Umbauten belädt McLean das Schiff mit 58 selbst konstruierten Stahlkisten, die genau auf die Chassis der meisten Trucks passen. Am 26. April 1956 sticht die Ideal X in New Jersey nach Texas in See. Im Zielhafen Houston werden die Container problemlos in kürzester Zeit auf Lkw verladen. Ein durchschlagender Erfolg, von dem die Transportbranche aber keine Notiz nimmt.

Gewinnexplosion durch den Vietnamkrieg

Stattdessen bekommt McLean Ärger mit den Hafenarbeitern, die in den neuartigen Kisten eine Gefahr für ihre Arbeitsplätze sehen. Zu Recht, wie sich bald zeigt, denn McLeans SeaLand-Corporation wächst ständig und beschäftigt 1963 bereits 3.000 Mitarbeiter. Der Vietnamkrieg heizt den Boom der Reederei noch an, denn ihre Containerschiffe bringen Truppenausrüstung nach Südostasien. Die Armee zahlt für Hin- und Rücktransport, obwohl die Kisten auf der Heimfahrt leer bleiben. So lässt McLean seine Flotte in Japan mit Waren beladen und kassiert jahrelang doppelten Gewinn. Als eins seiner Schiffe 1966 erstmals in Bremerhaven einen deutschen Hafen anläuft, können die Riesen bereits über 600 Container in ihrem Bauch verstauen.

Die Chefs des Norddeutschen Lloyd reagieren auf die Revolution vor ihren Augen wie ihre amerikanischen Konkurrenten. "Wird sich nicht durchsetzen", lautet das Urteil. Drei Jahre später erkennt ein Vorstandsmitglied der Reederei: "Seitdem ist eine Lawine ins Rollen gekommen, die viele von uns unter sich begraben wird." Rund 90 Prozent des Welthandels werden heute per Schiff abgewickelt, schätzt Thomas Pawlik von der Bremer Hochschule für Seeverkehr und Nautik. Die Häfen der Welt haben sich zu riesigen Terminals mit kolossalen Laufkränen und endlosen Containerlagern gewandelt. Menschliche Arbeitskraft wird kaum mehr gebraucht. Versuche, die Terminals vollkommen automatisch zu steuern, laufen bereits, weiß Pawlik. Auch an Bord der Frachtriesen tun immer weniger Seeleute Dienst: "Viele der ganz großen Containerschiffe sind mit 13 Leuten unterwegs."

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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.05 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 26. April 2016 ebenfalls an den Beginn der Container-Schifffahrt. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.