Nach dem Zweiten Weltkrieg ist Beate Uhse mit einem Wandergewerbeschein der englischen Militärregierung im Gepäck per Fahrrad in Schleswig-Holstein unterwegs.
Dort verkauft sie Einkaufstaschen, Spielzeug und Knöpfe an die Dorfbevölkerung, die hauptsächlich aus Frauen und Kindern besteht.
Dann kommen die Männer aus der Gefangenschaft zurück. Damit die Wiedersehensfreude folgenlos bleibt, fährt Uhse in die Stadt Nübel bei Flensburg, um in der dortigen Bücherei ein Buch über Empfängnisverhütung auszuleihen.
"Schrift X" als Basis
Für Rabattmarken im Wert von fünf Pfund Butter findet sie einen Drucker, der ihre Exzerpte zur Knaus-Ogino-Methode als Faltblatt vervielfältigt. Die "Schrift X" steht am Anfang einer beispiellosen Karriere als Erotik-Unternehmerin.
Geboren wird Uhse am 25. Oktober 1919 als Beate Köstlin im ostpreußischen Wargenau.
Traumberuf: Pilotin
Als Charles Lindbergh 1927 als erster Mensch den Atlantik überfliegt, beschließt die früh zur Selbstständigkeit erzogene Achtjährige, Pilotin zu werden.
Zehn Jahre später macht sie ihren Pilotenschein, ab 1943 fliegt sie in einem Überführungsgeschwader von Hermann Görings Luftwaffe. Zuletzt bekleidet sie den Rang des Hauptmanns.
Ihr Fluglehrer und erster Ehemann, der Pilot Hans-Jürgen Uhse, verunglückt als Staffelkapitän eines Nachtfluggeschwaders tödlich.
"Dann war der Krieg zu Ende, und mir gelang es, mit der letzten noch flugfähigen kleinen Maschine von Berlin nach Schleswig-Holstein zu fliegen", wird sich Uhse später erinnern.
Mit einem Hausierergeschäft fing alles an
Im Örtchen Barderup nahe Flensburg verdient sie ihren Lebensunterhalt für sich und ihren Sohn mit Arbeit zunächst in der Landwirtschaft. Nebenbei betreibt sie ihr kleines Hausierergeschäft.
Als sich die "Schrift X" über 32.000 Mal verkauft hat, beschließt Uhse, ihr Sortiment um Verhütungsmittel und andere Sex-Produkte zu erweitern.
1947 gründet sie ihr Unternehmen; vier Jahre später kommt ein Versandhaus hinzu.
Erster Sex-Shop der Welt
1962 eröffnet Uhse in Flensburg ein "Institut für Ehehygiene": Es ist der erste Sex-Shop der Welt.
Fortan gerät sie immer wieder ins Visier der Staatsanwaltschaft. Über 2.000 Anzeigen landen im Laufe der Firmengeschichte vor Gericht, zumeist wegen "Verstoßes gegen Sitte und Moral".
Fast immer wird Uhse freigesprochen – auch da noch, als sie ihr Geschäft um den Handel mit Sex-Spielzeug und Pornofilmen erweitert.
Mitte der achtziger Jahre erkrankt Uhse schwer an Magenkrebs. Sie stirbt 2001 im Alter von 81 Jahren an einer Lungenentzündung in Sankt Gallen.
Damals ist die Beate Uhse AG das größte Erotik-Unternehmen Europas. 2017 meldet es Insolvenz an.
Programmtipps:
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 25. Oktober 2019 ebenfalls an Beate Uhse. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
Stichtag am 26.10.2019: Vor 40 Jahren: WHO gibt die Ausrottung der Pocken bekannt