Sexualaufklärung gibt es nicht, Verhütung ist tabu, Abtreibung ist streng verboten - nach dem Zweiten Weltkrieg sind Millionen Frauen bei existenziellen Fragen auf sich allein gestellt. Deshalb gründen Anne-Marie Durand-Wever und andere am 23. Dezember 1952 in Kassel die "Deutsche Gesellschaft für Ehe und Familie", die sich als gemeinnütziger, nicht-staatlicher und nicht-konfessioneller Fachverband für Fragen von Sexualität und Familienplanung versteht. Eines der Ziele lautet: "Jedes Kind hat ein Recht, erwünscht zu sein."
Erster Vorsitzender wird Professor Hans Harmsen - der allerdings Jahrzehnte später den Ehrenvorsitz abgibt, als seine Nazi-Vergangenheit als Eugeniker bekannt wird. In Kassel entsteht 1952 auch die erste Beratungsstelle von Pro Familia, wie die Institution später heißt. Weitere folgen 1957 in Berlin und 1961 in Frankfurt.
Für legale Abtreibungen eingesetzt
In der Adenauer-Ära sind die Rahmenbedingungen für Pro Familia schwierig. Noch Anfang der 1950er Jahre droht Ärzten, die einen Schwangerschaftsabbruch durchführen, aufgrund eines Gesetzes von 1943 die Todesstrafe. Erst 1953 wird diese Strafandrohung durch eine Reform des Strafrechts abgeschafft. Abtreibungen bleiben jedoch weiterhin verboten. Auch nach Adenauer dominieren patriarchale Einstellungen die Gesellschaft. So muss eine Frau damals die "ehelichen Pflichten" erfüllen, wie es noch 1967 ein Urteil des Bundesgerichtshofs verfügt: "Wenn es ihr ... versagt bleibt, im ehelichen Verkehr Befriedigung zu finden, so fordert die Ehe doch von ihr eine Gewährung ehelicher Zuneigung und Opferbereitschaft."
Obwohl die Anti-Baby-Pille in der Bundesrepublik Deutschland seit 1961 auf dem Markt ist, ist das Präparat unter dem Namen "Anvolar" noch in den 1970er Jahren längst nicht für alle Frauen verfügbar. Viele Gynäkologen weigern sich damals aus moralischen Gründen, die Pille zu verschreiben. Die Ärzte in den Medizinischen Zentren von Pro Familia dagegen sind liberaler und geraten deshalb schnell in die Kritik. Als sich der Verband auch noch für legale Abtreibungen einsetzt, laufen selbsternannte "Lebensschützer" Sturm. "Damals war es so, dass wir Bombendrohungen hier gekriegt haben", erinnert sich Susanne Just-Mackensen, Leiterin der Kölner Beratungsstelle am Hansaring, die seit 1976 bei Pro Familia arbeitet.
180 Beratungsstellen
Heute bietet Pro Familia Frauen, die ungewollt schwanger werden, die sogenannte Schwangerschaftskonfliktberatung an - eingeführt worden ist sie 1992 mit der Reform des Paragrafen 218, der Abtreibungen nun nicht mehr unter Strafe stellt.
Neben den Themen Verhütung, Schwangerschaft, Familienplanung berät Pro Familia auch bei Fragen zu Partnerschaft und Eltern sein. Als Ansprechpartner in den bundesweit 180 Beratungsstellen stehen neben Ärzten und Sozialarbeiter auch Psychologen und Pädagogen zur Verfügung.
Stand: 23.12.2012
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