Stichtag

3. Oktober 1990 - Beitritt der DDR zur BRD

Spätestens 1989 wird es offensichtlich: In der DDR stimmt etwas nicht. Viele Ostdeutsche wollen ihren Staat verändern oder verlassen. Bereits im Januar macht eine Gruppe Ausreisewilliger Schlagzeilen. Sie besetzen das Gebäude der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik in Ost-Berlin. Eine weitere Besetzung folgt im Sommer. Auch in anderen Warschauer-Pakt-Staaten werden bundesdeutsche Botschaften das Ziel ausreisewilliger DDR-Bürger. Am 4. September findet in Leipzig die erste Montagsdemonsvtration statt. Die Forderungen lauten: Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit, Reisefreiheit.

Der Druck der Straße wird so groß, dass am 9. November 1989 die DDR mit sofortiger Wirkung die Grenzen öffnet. Nach 28 Jahren fällt die Mauer. Staats- und Parteichef Erich Honecker wird entmachtet - und das Verhältnis der beiden deutschen Staaten neu austariert: Der neu gewählte DDR-Ministerpräsident Hans Modrow (SED) schlägt in seiner Regierungserklärung am 17. November eine "Vertragsgemeinschaft" vor, elf Tage später legt Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) im Bundestag einen Zehn-Punkte-Plan für die Wiedervereinigung vor. Dabei geht er davon aus, dass der Prozess fünf bis zehn Jahre dauert.

Grundgesetz oder neue Verfassung?

Doch die anhaltende Abwanderung vieler Ostdeutscher in den Westen beschleunigt die Entwicklung. Bereits vor dem Mauerfall hatte sich die Schriftstellerin Christa Wolf am 8. November 1989 in einem Appell im DDR-Fernsehen an die Ausreisewilligen gewandt: "Wir bitten Sie, bleiben Sie doch in Ihrer Heimat, bleiben Sie bei uns." Zu der von Bürgerrechtlern und Intellektuellen angestrebten Reformierung der DDR kommt es aber nicht. Der ostdeutsche Staat verändert sich in Richtung seiner Auflösung. Am 18. Mai 1990 unterzeichnen die Bundesrepublik und die DDR einen Staatsvertrag zur Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion. Für Kohl ist dies die "Geburtsstunde eines freien und einigen Deutschlands". Am 1. Juli 1990 tritt der Vertrag in Kraft. Die DDR stellt auf D-Mark um. Die Personenkontrollen an der innerdeutschen Grenze fallen weg.

Fünf Tage später beginnen in Ostberlin die Beratungen über einen zweiten Staatsvertrag: den Einigungsvertrag. Laut dem Grundgesetz der Bundesrepublik gibt es zwei Möglichkeiten, die Einheit herzustellen. Nach Artikel 23 können "andere Teile Deutschlands" dem Geltungsbereich des Grundgesetzes beitreten. Die zweite Möglichkeit eröffnet Artikel 146, wonach eine neue, gesamtdeutsche Verfassung das Grundgesetz ablösen könnte. In Umfragen spricht sich aber die Mehrheit der Ost- und Westdeutschen für das Grundgesetz als gesamtdeutsche Verfassung aus.

Experten klären Einzelheiten ab

Am 23. August 1990, kurz vor drei Uhr morgens, stimmt die frei gewählte DDR-Volkskammer am Ende einer Nachtsitzung über einen Beitrittstermin ab. "Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, weil es eine sehr dramatische und emotionale Abstimmung gewesen war", sagt Peter-Michael Diestel, der damalige DDR-Innenminister. "Helmut Kohl saß oben auf der Empore." Das Ergebnis der Abstimmung ist der 3. Oktober 1990. Den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik regelt der deutsch-deutsche Einigungsvertrag, den DDR-Staatssekretär Günther Krause und Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) am 31. August in Ost-Berlin unterzeichnen. Der Vertrag endet auf Seite 1.120 mit dem Satz: "Beide Regierungen beauftragen ihre Experten, weitere Einzelheiten abzuklären."

Bundestag und Volkskammer billigen den Einigungsvertrag am 20. September mit Zwei-Drittel-Mehrheiten. Bereits acht Tage zuvor haben die Außenminister beider deutscher Staaten und die vier Siegermächte des Zweiten Weltkriegs in Moskau den "Zwei-Plus-Vier-Vertrag" unterzeichnet. Damit haben sie einen Schlussstrich unter 45 Jahre Nachkriegsgeschichte gezogen: Deutschland erhält mit dem Tag der Einheit seine volle Souveränität zurück.

Stand: 03.10.2015

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