Der Hauseingang der Aids-Hilfe Düsseldorf

Mutmaßlicher NSU-Helfer aus Düsseldorf

Carsten S. bezeichnet sich als Aussteiger

Stand: 02.02.2012, 08:25 Uhr

Der 31-Jährige, der am Mittwoch (01.02.2012) wegen Terrorverdachts festgenommen wurde, ist laut eigener Aussage bereits im Jahr 2000 aus der rechten Szene ausgestiegen. In den vergangenen Jahren arbeitete er für die Düsseldorfer Aids-Hilfe.

Bei dem 31-Jährigen, der am Mittwoch (01.02.2012) in Düsseldorf festgenommen wurde, handelt es sich um einen langjährigen Mitarbeiter der gemeinnützigen Aids-Hilfe Düsseldorf. Dort kümmert sich Carsten S. um das Projekt "Herzenslust" zur Prävention und Aufklärung im Bereich HIV, Aids und Safer Sex. Laut eigener Aussage ist S. bereits im Jahr 2000 aus der rechten Szene ausgestiegen. In Düsseldorf lebte er nach WDR.de-Informationen offen schwul, unter anderem engagierte er sich im Team des schwul-lesbischen Jugendzentrums Puls. Seine rechte Vergangenheit soll er bereut und auf Nachfrage offen darüber gesprochen haben. Der von ihm geschilderte Bruch mit der rechten Szene sei nach Einschätzung von Kollegen glaubhaft gewesen.

In einer ersten Stellungname von Mittwochnachmittag distanziert sich die Aids-Hilfe Düsseldorf "mit aller Deutlichkeit von der rechten Szene und ihrem Gedankengut" und sprach den Opfern und Hinterbliebenen der Terroranschläge ihr Beileid aus. Die Verhaftung habe den Verein überrascht, sie hätten aus den Medien davon erfahren.

31-Jähriger distanzierte sich von rechter Szene

In einem Schreiben, das der Anwalt von Carsten S. bereits am Donnerstag (26.01.2012) veröffentlicht hat, teilt der 31-Jährige mit: "Ich habe mich von der rechten Szene distanziert und verabscheue jegliche Art von rechtem, rassistischem und extremistischem Gedankengut." S. und sein Anwalt hatten das Schreiben aufgesetzt, nachdem die Antifaschistische Linke Düsseldorf und ein Linkenabgeordneter des Düsseldorfer Stadtrats am Mittwoch vergangener Woche (25.01.2012) den vollen Namen von Carsten S. im Internet veröffentlicht hatten. In der Mitteilung von S. heißt es weiter, er habe seit 2000 keinen Kontakt mehr zur rechten Szene gehabt. Und: "Ich hatte keine Kenntnis von Straftaten, die von dieser Gruppe ausgingen." Vielmehr habe er vor elf Jahren ein neues Leben begonnen.

Kontakte zur NSU noch bis 2003?

Die Bundesanwaltschaft sieht das anders: Nach bisherigen Erkenntnissen habe Carsten S. bis 2003 Kontakte in rechtsradikale Kreise gehalten. Mit den drei Mitgliedern des NSU, Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe, soll er in enger Verbindung gestanden haben. Zeitweilig soll er sogar der einzige aus dem rechtsextremistischen Umfeld der Gruppe gewesen sein, der unmittelbaren Kontakt zu ihr hatte. Gemeinsam mit dem bereits inhaftierten Ralf Wohlleben habe er dem NSU 2001 oder 2002 eine Schusswaffe nebst Munition in Jena besorgt. Der Vorwurf der Bundesstaatsanwaltschaft lautet Beihilfe zum Mord. S. habe durch den Kauf der Waffe und die Weitergabe an die Terror-Gruppe billigend in Kauf genommen, dass die Schusswaffe für rechtsextremistische Morde verwendet werden könne. Unklar sei bislang noch, ob die Waffe tatsächlich zum Einsatz kam.

Wichtiger Kontaktmann für das Terror-Trio

Nach Informationen des Bundesamts für Verfassungsschutz soll S. ungefähr ein Jahr lang, von März 1999 bis April 2000, ein wichtiger Mann für das flüchtige Trio gewesen sein. Laut einem Bericht des Amtes von Dezember 2011 war er Aktivist des Thüringer Heimatschutzes. Er habe damals Ralf Wohlleben als Kontaktmann zwischen Thüringer Heimatschutz und der NSU abgelöst. Im April 1999 könnte er als Geldbeschaffer tätig gewesen sein. Im September des gleichen Jahres habe er aktiv nach einem Unterschlupf für das Trio im Ausland gesucht.

Im zweiten Halbjahr 2000 habe S. laut Verfassungsschutz angekündigt, sich nicht mehr an politischen Aktionen beteiligen zu wollen. Sogar Anhaltspunkte dafür, dass er aussteigen wolle, habe es gegeben. 2003 zog S. nach Nordrhein-Westfalen, zunächst nach Hürth, später nach Düsseldorf. Er begann an der FH Düsseldorf ein Sozialpädagogikstudium, seine rechte Vergangenheit holte ihn bereits 2003 während seiner Tätigkeit beim Schwulenreferat der Düsseldorfer Uni ein. Eine linksautonome Publikation berichtete damals über seine Zeit beim Thüringer Heimatschutz. Referatskollegen sagen, Carsten S. habe seine Vergangenheit daraufhin offengelegt.

Medienberichte: S. war NPD-Funktionär

Wie die "Süddeutsche Zeitung" am Donnerstag (02.02.2012) berichtete, soll S. auch als NPD-Funktionär tätig gewesen sein. Die Zeitung beruft sich dabei auf Erkenntnisse des Verfassungsschutzes, laut denen S. 1999 an der Spitze des NPD-Kreisverbandes Jena gestanden haben soll. Außerdem soll er dem Thüringer Landesvorstand der Partei angehört haben und das Land im Bundesvorstand der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten vertreten haben.

Seit seinem Umzug ins Rheinland seien laut Verfassungsschutz keine Aktivitäten von S. in der rechten Szene aktenkundig geworden.