Schwarzweiß-Bild: Kinder in einem Waisenhaus in den 1950er Jahren.

Erlebte Geschichten mit Paul Brune

Für die Nonnen im Waisenheim war er vom "Teufel besessen", den NS-Ärzten galt er als "asozialer Psychopath" und somit als "lebensunwert".

Von Katrin Fromme

Paul Brune war von Geburt an stigmatisiert: 1935 im Sauerland außerehelich geboren, sah die Dorfgemeinschaft nur einen "Bastard" in ihm. Schon kurze Zeit später ertrug seine Mutter den Druck nicht mehr und versuchte, sich und ihre drei jüngsten Kinder umzubringen. Ein Kind ertrank, die anderen überlebten. Der einjährige Paul kam ins Waisenheim nach Lippstadt, später nach Dortmund und Marsberg, im Volksmund damals "Idiotenanstalt" genannt.

Ein Leben lang um das eigene Leben gekämpft

Ein von der nationalsozialistischen "Rassehygiene" überzeugter Anstaltsarzt diagnostizierte bei dem Jungen ererbte "Geisteskrankheit". Von da an wurde Paul, wie Hunderte anderer Kinder auch, von regimetreuen Nonnen und sadistischen Ärzten gequält. Die meisten von ihnen überlebten den Krieg nicht.

Paul Brune hatte Glück: Er überstand alle Strapazen, doch seine "Idiotenakte" verfolgte ihn ein Leben lang. "Nichtsdestotrotz" - eines seiner Lieblingswörter - kämpfte er unermüdlich gegen das Abgestempeltsein an: Er setzte die ihm vorenthaltene Bildung bei Gericht durch, holte mit 36 Jahren das Abitur nach, studierte in Bochum Germanistik, Philosophie und Sozialwissenschaften. Erst 2003, nach fünf Petitionen im nordrhein-westfälischen Landtag, wurde Paul Brune als Euthanasie-Opfer und Verfolgter des Nazi-Regimes anerkannt; seither erhält er eine kleine Rente.

Redaktion:
Mark vom Hofe

Erlebte Geschichten: Paul Brune (28.08.2005)

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