Anders als der Titel vermuten lässt, ist Oscar Wildes berühmte Novelle aus dem Jahr 1887 keine klassische Gruselgeschichte. Unter Wildes spitzer Feder kehren sich die Verhältnisse um: Als eine amerikanische Familie in jenes Schloss Canterville zieht, das auch ein Gespenst bewohnt, bekommen es nicht die Menschen mit der Angst zu tun, – sondern der Geist! Der versucht zunehmend verzweifelt, seinem Job als Hausschreck nachzugehen, prallt aber an den pragmatisch-aufgeklärten Amerikanern gnadenlos ab.
Wilde macht aus dem klassisch unheimlichen Stoff eine bissige Culture-Clash-Komödie: Hier das jahrhundertealte britische Gespenst, dort die Amerikaner, die ihn frohgemut bitten, seine Ketten zu ölen – damit er nachts nicht so laut rasselt. In der Satire des Iren Wilde werden natürlich beide Seiten gehörig aufs Korn genommen: Die fortschrittshörigen und materialistischen Amerikaner und die traditionsversessenen Engländer.
Bei allem Witz ist die Geschichte aber auch eine Einladung zum Mitgefühl. Schließlich möchte der Geist am Ende das, was alle Geister sich wünschen: seinen Frieden finden. Ob ihm das gelingt, erfahren Sie in WDR 5 Lies mir was vor.
Benno Schulz liest "Das Gespenst von Canterville" in der Übersetzung von Franz Blei. Literaturkennerin Mithu Sanyal ordnet das Werk neu ein. Und Gastgeberin Rebecca Link führt durch das spukige Hörvergnügen.
Regie: Annette Kurth
Redaktion: Ruth Dickhoven und Ulla Illerhaus