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Küchenexperimente - Rohrfrei

Stand: 09.08.2013, 16:05 Uhr

Dieses Küchenexperiment ist eine Warnung: Finger weg von ätzenden hochreaktiven chemischen Keulen im Haushalt!

Von Sascha Ott

Normalerweise möchte ich mit den Experimenten zum Nachmachen animieren, die Lust am Ausprobieren wecken – dieses mal ist es umgekehrt. Mit diesem Experiment möchte ich vor allem warnen. Warnen, dass man mit bestimmten Mittelchen im Haushalt keinesfalls leichtfertig hantieren sollte.

DER VERSUCH

Es geht um Rohrreiniger, Abflussfrei, die große chemische Keule, die gerne geschwungen wird, wenn das Wasser im Waschbecken mal nicht mehr ganz so zügig abfließt. Um noch einmal zu betonen, dass bei diesem Experiment besondere Vorsicht geboten ist, beginne ich die List der nötigen Utensilien mit der Bekleidung. Wir brauchen:

  • eine Schutzbrille;
  • Handschuhe;
  • ein langärmliges Oberteil (z.B. einen alten Arbeitskittel);
  • eine 0,5-Liter-PET-Flasche;
  • Rohrfrei-Granulat;
  • Alu-Folie;
  • Wasser;
  • eine große Wasser- oder Mülltonne (oder ein anderes großes schützendes Gefäß).

Ich ziehe Kittel, Handschuhe und Schutzbrille an. Dann gebe ich ein paar Esslöffel vom Rohrfrei-Granulat in die kleine PET-Flasche und dazu ein paar Streifen von der Alu-Folie, die ich so zusammenrolle, dass sie in die Flasche passen. Und dann fülle ich die Flasche zu etwa einem Viertel mit Wasser. Augenblicklich beginnt es in der Flasche zu blubbern und zu schäumen und sie wird spürbar warm. Jetzt drehe ich zügig den Deckel fest auf die Flasche und stelle sie in eine Plastiktonne mitten auf dem Rasen. Damit die Flasche auch später, wenn sie sich verformt, nicht umkippt, stelle ich sie in der Tonne in eine alte Konservendose. Und dann heißt es: Nichts wie weg.

DAS ERGEBNIS

Mit einem mächtigen Donnerschlag explodiert die Flasche in der Tonne. Der Deckel wird hoch in die Luft bis in Nachbars Garten geschleudert. Und wenn ich mal vorsichtig mit dem Handschuh die Überreste der Flasche aus der Tonne fische, dann sehe ich: Die PET-Flasche ist total verformt von der Hitze der Reaktion und geradezu in sich zusammengeschmolzen.

DIE ERKLÄRUNG

Als einziger Inhaltsstoff ist auf der Verpackung des Rohrreinigers angegeben: Natriumhydroxid, auch bekannt als "Ätznatron". Es bildet mit Wasser eine scharfe Lauge, die Fett und andere Verschmutzungen auflöst. Wenn man das Rohrreiniger-Granulat genauer anschaut, dann sieht man aber im weißen Pulver außerdem kleine graue Kügelchen. Das ist Aluminium. Das Aluminium reagiert ebenfalls heftig mit dem Natriumhydroxid, wenn Wasser hinzugegeben wird. Dabei entstehen Wärme und Wasserstoff. Hitze und Gas sollen dabei helfen, Ablagerungen und Verstopfungen zu lockern.

Der Wasserstoff ist aber natürlich in Verbindung mit dem Sauerstoff der Luft hochexplosiv. Deshalb mischt der Hersteller dem Reiniger Nitrate zu, die den Wasserstoff zu Ammoniak binden. Die Wasserstoffbildung wird sozusagen gebremst und abgepuffert. Durch die zusätzliche Alufolie zerstöre ich aber das vom Hersteller vorgesehen Gleichgewicht. Die Reaktion läuft total aus dem Ruder, unter großer Hitze- und Gasentwicklung, und die Flasche explodiert.

Diese Zerstörungskraft habe ich natürlich im Experiment mutwillig herbeigeführt. Aber der Versuch veranschaulicht durchaus, welche chemische Wucht in der Mischung des Rohrreinigers steckt. Auch durch leichtfertige Überdosierung nach dem Motto "Viel hilft viel" oder die Verwendung von heißem Wasser können beträchtliche Gefahren nicht nur für die Rohre sondern auch für die Gesundheit drohen. Durch übergroße Hitze kann das Granulat so verschmelzen, dass es das Rohr völlig verstopft, und Siphons aus Kunststoff können sich verformen. Heißes Wasser kann zu so heftiger Gasbildung führen, dass ätzende Flüssigkeit aus dem Abfluss hoch spritzt. Hinzu kommt, dass die scharfen Laugen des Reinigers eine enorme Umweltbelastung darstellen.

Daher abschließend noch einmal: Schauen Sie das oben eingestellte Video an und verzichten Sie lieber auf ein Nachstellen des Experiments. Sollten Sie unbedingt den Versuch wagen wollen, achten Sie dringend auf säurefeste Kleidung und einen Schutz der Augen. Waschen Sie die Tonne anschließend gründlich aus. Und vor allem: Überdenken Sie den Einsatz von Rohrreiniger in Ihrem Haushalt. Es eine ganze Reihe effektiver biologisch abbaubarer Alternativen.

FAZIT

Das Umweltbundesamt fordert zu Recht, auf ätzende Reiniger mit dem orangen Gefahrenhinweis zu verzichten. Für private Haushalte sind sie völlig übertrieben. In den allermeisten Fällen braucht es keine Chemo-Keule, sondern nur ein paar Stöße mit dem guten alten Saugpömpel.

Redaktion:
Peter Ehmer