Nachbergbau-Studium

Lernen zu sanieren

Stand: 25.11.2013, 13:59 Uhr

2018 endet in Deutschland der subventionierte Steinkohlenbergbau. Dann werden auch die letzten drei verbliebenen Zechen in NRW geschlossen. Allerdings kann man ein Bergwerk nicht nach dem Motto schließen: Der Letzte macht das Licht aus, dann kommt der Deckel auf den Pütt. Auch stillgelegte Schachtanlagen müssen auf Dauer „versorgt“ werden – und dafür werden Experten benötigt. Übrigens nicht nur in Deutschland.

Von Klaus Deuse

Das notwendige Know How für die Anforderungen nach dem Ende des Steinkohlenbergbaus vermittelt der neue Masterstudiengang "Geoingenieurwesen und Nachbergbau" an der Technischen Fachhochschule Georg Agricola in Bochum.

"Durch Steinkohlenbergbau sind Hinterlassenschaften da. Und da müssen wir eine qualitativ hochwertige Nachsorge machen. Das heißt: belastete Flächen müssen saniert werden, müssen rekultiviert werden. Wir haben große Flächen, die zur Verfügung stehen, die man jetzt nutzen kann. Und zwar innovativ", sagt Prof. Christian Melchers, der den Studiengang rund um den Nachbergbau mit aus der Taufe gehoben hat. Nach seinen Worten hört der Bergbau nicht einfach auf, er wird nur anders. Gefragt ist dann insbesondere Wissen aus den Bereichen Vermessung, Geotechnik und Bergbau. Vermittelt werden in diesem auf sechs Semestern angelegten Studiengang aber auch ebenso Recht, Bergrecht, Bundesbodenschutz sowie betriebswirtschaftliche Aspekte.

5000 Schächte

Eine akademische Ausbildung zur Nachnutzung von ehemaligen Bergbaustandorten gab es bislang noch nicht. Allein im Ruhrgebiet geht es um die Versorgung von rund 5.000 Schächten unter der Erde. Und über Tage stellt sich die Herausforderung einer sinnvollen Nutzung von Halden und riesigen Zechengeländen. Diese Flächen nur zu rekultivieren und zu bepflanzen, wäre auch unter ökologischen Aspekten nicht immer vorrangiges Ziel. Ganz abgesehen davon bieten Bergwerke auch nach ihrer Stilllegung Potenzial zur Energiegewinnung. Insofern umfasst dieser Studiengang viele Facetten, erklärt Prof. Christian Melchers "Hier wird dieses Wissen gebündelt und erweitert mit dem Ziel, Ingenieure auszubilden, die den komplexen Vorgang der Nachsorge bewältigen können. Wir bilden also ganz bewusst Generalisten aus, die im Endeffekt dieses Spektrum abdecken können."

Zukunft mit Bergbau

Entschieden für dieses Studium hat sich auch die Geotechnikerin Julia Baginski.

"Die Zeit nach dem Bergbau fängt gerade erst an und bietet für mich auch in Zukunft noch gute Perspektiven und vielfältige Arbeitsmöglichkeiten. Auch wenn ich mit meiner aktuellen beruflichen Situation durchaus zufrieden bin, erhoffe ich mir natürlich durch den höheren Abschluss einen positiven Effekt", erklärt sie ihre Wahl.

Ein Bergwerk, stellt Prof. Christian Melchers fest, kann man nicht einfach sich selbst überlassen. "Letztendlich würde so eine Grube mit Wasser volllaufen. Die Schächte, die nicht dauerhaft verfüllt sind, können versagen." Nachbergbau heißt auch, Vorsorge zu betreiben. Das gilt auch für Oberflächen, bei denen es zu Bergsenkungen gekommen ist. "Das heißt: da würde das Oberflächenwasser, das Niederschlagswasser nicht mehr natürlich abließen, sondern das muss über Pumpwerke gehoben werden. Und wenn man dieses nicht mehr macht, dann würden sich in solchen Bereichen konsequenterweise freie Wasserflächen bilden. Das heißt: ganze Stadtteile würden im wahrsten Sinne des Wortes ertrinken."

Neue Verwendung finden

Die Kosten für das Abpumpen des Grubenwassers belaufen sich pro Jahr auf rund 100 Millionen Euro. Für die Herausforderungen des Nachbergsbau, sagt der Diplom-Ingenieur Guido Baumann, benötigt man nun einmal entsprechende Kompetenzen. Nicht nur mit Blick auf das Grubenwasser. Darum hat er dieses Studium aufgenommen. "Nutzbarmachung von Nachbergbauflächen, wenn die Zechen weg sind: Wie kriegt man eventuelle Belastungen entfernt oder wieder gesichert. Natürlich alles interessante Geschichten, die gerade in Zukunft auf uns zukommen werden und für die ich mich fit machen möchte."

Neue Technik aus alten Stollen

Zu den künftigen Aufgaben gehört unter dem Stichwort regenerative Energien auch die Frage, wie sich warmes Grubenwasser nutzen lässt. Prof. Christian Melchers: "Wir haben ganz konkret ein sehr interessantes Beispiel hier in unserer Nachbarschaft in Bochum, wo an einem Punkt zentral Grubenwasser gehoben wird, das eine gewisse Temperatur hat und dieses geothermische Potenzial des Grubenwassers effektiv genutzt wird. Und zwar zur Beheizung einer Feuerwache und einer örtlichen Schule."

Fachkenntnisse im Nachbergbau sind nicht nur bei Bergbauunternehmen, sondern ebenso bei Bauordnungs- und Umweltämtern sowie Bohr- und Tunnelbaufirmen gefragt. Mit dem Master-Abschluss eröffnen sich für Guido Baumann insofern nicht nur die Aussichten auf einen Aufstieg bei seinem derzeitigen Arbeitgeber, der Bezirksregierung Arnsberg. "Mit dem Master könnte mir theoretisch der Zugang zum höheren Dienst möglich sein. Auf der anderen Seite bin ich als Angestellter nicht unbedingt an die Bezirksregierung gebunden wie es als Beamter wäre. Und da muss man schauen, was sich auf dem Arbeitsmarkt eventuell noch ergeben könnte."