Dennis Horn und Jörg Schieb

COSMO Tech - Vorsicht, Suchtgefahr!

Stand: 03.09.2019, 11:20 Uhr

Die meisten verbringen immer mehr Zeit am und mit dem Smartphone. Der Griff in die Hostentasche ist wie ein Reflex – und manch einer nimmt sogar ein Phantom-Vibrieren wahr. Der nächste "Kick" wartet. Ab wann muss man von einer Abhängigkeit sprechen? Und wer weiß schon, dass viele App-Entwickler ganz gezielt Methoden einsetzen, die abhängig machen? Jörg Schieb und Dennis Horn gehen in dieser Folge von CosmoTech der Sache auf den Grund. Gemeinsam mit der Neurowissenschaftlerin Maren Urner.

Vorsicht, Suchtgefahr!

COSMO TECH 03.09.2019 01:00:50 Std. Verfügbar bis 03.09.2024 COSMO


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[02:20] Pizzeria in Kalifornien fördert Smartphone-freies Abendessen

Eine Pizzeria in Kalifornien hat sich etwas Besonderes einfallen lassen: Wenn alle am Tisch ihre Smartphones wegschließen – und das im wahrsten Sinne des Wortes -, bevor sie zu Tisch gehen, gibt es eine "Pizza for free". Ein netter Marketing-Gag: Die eine Sucht mit einer (potenziell) anderen bekämpfen - Nahrung. Aber immerhin wird dadurch der Punkt deutlich: Wir sollten alle öfter mal das Smartphone beiseitelegen.

[03:30] Smartphone im Alltag

Der Alltag vieler: Direkt nach dem Aufwachen, die Augen sind noch halb zu: Griff zum Smartphone. Was gibt’s Neues? Update-Check! Mails. WhatsApp. Instagram. Snapchat. Facebook. Nachrichten. Je nach Geschmack – in entsprechender Reihenfolge.

In der U-Bahn. Beim Autofahren. Im Kino. Beim Treffen mit Freunden. Ständig schauen die Menschen aufs Smartphone.

Besonders krass – konnte man in der Urlaubszeit wieder sehen: Familie am Tisch. Lunch oder Dinner. Und die Kids haben ein Smartphone oder Tablet vor sich stehen. Schauen Peppa Wutz. Oder anderen Kram. Wie gebannt. Nur nicht reden. Selbst im Urlaub. Früher kann man Abhängigkeiten wohl kaum anlegen... Die Eltern sind das Problem. Sie nutzen Mobilgeräte als Babysitter. Als Elternersatz. Und sie selbst sind längst süchtig, schauen ständig auf die Geräte. Anstatt sich mit ihren Kindern zu beschäftigen. Das hat sogar schon zu Protesten der Kinder geführt

[08:45] Selbst die Bildschirmzeit messen

Wie oft greifst Du am Tag zum Handy? Wie viel Zeit verbringst Du über das Display gebeugt? Das sind Fragen, die die meisten von uns nicht zuverlässig beantworten können. Und wenn wir schätzen müssen, liegen die meisten von uns vollkommen daneben. Rund 65 Aktivierungen pro Tag (also Handy in die Hand und loslegen) und 3:25 Stunden Handyzeit sind heute normal, sprich: das statistische Mittel.

[15:22] Gespräch mit unserem Gast Dr. Maren Urner

Maren Urner ist promovierte Neurowissenschaftlerin und „Medienpsychologin“. Sie hat gerade ein Buch geschrieben „Schluss mit dem täglichen Weltuntergang“, in dem es – unter anderem – auch um unser Suchtverhalten im Umgang mit Smartphone und Digitalen Medien geht. Das Buch sorgt für Aufmerksamkeit: Jetzt schon auf Platz 2 der Spiegel-Bestsellerliste. Außerdem ist Maren Urner Mitbegründerin der Plattform Perspecitve Daily:

[33:10] Center for Humane Technology

Diverse Ex-Mitarbeiter und teilweise auch Gründer aus Unternehmen wie Google, Facebook, Twitter, Pinterest, flickr und Co. haben sich zusammengetan, um vor den Gefahren der Social Media zu warnen. Auch und vor allem vor den Suchtgefahren, da gezielt suchtmachende Mechanismen eingesetzt werden.

[36:10] App-Entwickler setzen gezielt süchtig machende Technologien ein

Viele App-Entwickler legen es bewusst und mit aller Macht darauf an, dass wir ständig aufs Handy schauen – und dann möglichst lange in den Apps bleiben. Denn Aufmerksamkeit bedeutet Kasse machen. Je länger ich online bin, desto mehr Daten liefere ich ab, desto wahrscheinlicher ist, dass ich Werbung zu sehen bekomme oder einkaufe.

Darum werden wir mit Tricks manipuliert. Das Handy vibriert ständig. Wir müssen endlos scrollen. Videos starten automatisch. Push-Nachrichten fordern uns auf, etwas zu tun. Und, und, und… Das sind alles gezielte Manipulationsversuche, um uns dazu zu bringen, zum Smartphone zu greifen. Konkret:

  • Es bingt andauernd – Push-Nachrichten
  • Belohnungssysteme: Auszeichnungen, wenn wir war erreichen
  • Natürlich auch Likes, Empfehlungen, Retweets
  • Snapchat: Dauerhafte Konversation wird belohnt
  • Endloses Scrollen: Wir machen nie ein "Check!" im Kopf

Genannt: Brainhacking – oder Attention Pollution.

[51:10] Digital Detoxing

Es ist also Entgiftung angesagt – digitale Entgiftung. Auch das ist schon wieder ein Trend – und teilweise erfolgt die Entgiftung sogar mit Apps, was natürlich völlig absurd ist.

"Kein Trend, ohne Gegentrend! Wo das Internet allgegenwärtig ist und die Mobile Webnutzung stetig neue Rekordwerte überschreitet, da entsteht parallel Sehnsucht nach einem Leben ohne Netz und den damit verbundenen Geräten. Einfach mal komplett abschalten und offline durchschnaufen. Auf neudeutsch: Digital Detox."

Was können wir tun? Erst mal: Ermitteln des eigenen Suchtverhaltens.

Jeder Dritte Deutsche hat schon mal bewusst versucht, seine Smartphone-Nutzung zu reduzieren. Doch nur 12% hatten Erfolg damit.

Wie geht das? Mit Apps wie "Bildschirmzeit" (iOS) oder "Digitales Wohlbefinden" (Android) lassen sich die eigenen Aktivitäten tracken.

Wer das reduzieren möchte, und das ist zweifellos dringend zu empfehlen, der kann sich helfen lassen. iOS und Android bieten die Möglichkeit, Zeitkontingente für Apps einzutragen. Zum Beispiel hier: 10 Minuten am Tag für Spiele. Oder 15 für YouTube. Will man länger, bekommt man eine Warnung. Oder die App wird sogar gesperrt.

Es ist sicher kein Zufall, dass sich Apple und Google entschlossen haben, solche Funktionen anzubieten. Sie sollen wie eine Art Entgiftung wirken – Detoxing. Am Ende werden sie aber kaum verhindern, dass wir unsere Smartphones trotzdem immer mehr benutzen. Die Hersteller können aber nun sagen: Wir haben Lösungen im Angebot. Ein Feigenblatt, also.

Ganz nett in diesem Zusammenhang: die App Forest. Auch sie soll einem vom Smartphone fernhalten. Man pflanzt virtuelle Bäume in seinem Smartphone. Und nur, wenn man 25 Minuten lang sein Handy nicht anrührt, kann das Bäumchen gedeihen

[56:10] Macht süchtig: Coin Master

Apropos Sucht: Phänomen "Coinmaster" App. Slot Machine in Game-App. Macht schon Erwachsene verrückt/abhängig – Kinder aber erst recht. Leider ist die App auch bei Kids und Jugendlichen populär. Weil Dieter Bohlen und Bibi für die App Werbung machen. Unverantwortlich.

Die nächste Ausgabe von COSMO TECH erscheint am 17. September 2019.

Kontakt:

E-Mail: cosmotech@wdr.de