COSMO Tech - Das NetzDG und der Hass - mit Staatsanwalt Christoph Hebbecker
Stand: 18.02.2020, 00:00 Uhr
Die Kommentarspalten im Netz sind zu zornigen Orten geworden - daran hat auch das NetzDG wenig geändert. Trotzdem plant die Politik ein Update für dieses Gesetz. Wie sinnvoll ist das? Dennis Horn und Jörg Schieb sprechen in COSMO TECH mit jemandem, der es wissen muss: Christoph Hebbecker, dessen Schwerpunkt als Staatsanwalt der Hass im Netz ist.
Von Dennis Horn und Jörg Schieb
Wie gehen wir mit dem Hass um, der sich die Kommentarspalten runterkübelt? Der Gesetzgeber in Deutschland hat auf diese Frage schon 2017 eine Antwort gegeben, und sie hat sechs Buchstaben: NetzDG, das Netzwerkdurchsetzungsgesetz - als Mittel auch gegen Hasskriminalität.
[03:08] Ignorieren, diskutieren, melden oder anzeigen?
Zur Frage, wie wir mit dem Hass im Netz umgehen, gehört auch die Frage, was denn nun der richtige Weg ist: Das alte Forenmotto "Don't feed the troll"? Die Gegenrede, um Hass zu ächten? Die Meldefunktionen der sozialen Netzwerke? Oder am Ende sogar die Strafanzeige?
Die Expertinnen und Experten der Amadeu-Antonio-Stiftung halten von Ignoranz wenig: Denn die Diskussionen in sozialen Netzwerken finden immer auch vor einem Publikum statt, das sich möglicherweise noch nicht für eine Seite entschieden hat. Und Strafverfolgungsbehörden halten von den Meldefunktionen der sozialen Netzwerke nicht viel: Die Plattformen lassen trotzdem viel Hass online - und Konsequenzen spüren Menschen, die beleidigende oder volksverhetzende Inhalte posten, erst dann, wenn auch tatsächlich die Staatsanwaltschaft eingreift.
[13:59] Wie die Staatsanwaltschaft gegen den Hass vorgeht
Christoph Hebbecker ist einer von zwei Staatsanwälten der Zentralstelle Cyberkriminalität in Köln - oder besser gesagt: der Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft in Sachen Hass im Netz. Auf seinem Tisch landen die Fälle von Hasskriminalität bei Facebook, YouTube oder auf anderen Plattformen - und im Interview erzählt er, dass sich die Täter ihrer eigenen Schuld oft nicht einmal bewusst sind.
Zusammen mit Medienhäusern und der Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen hat Hebbecker das Programm "Verfolgen statt nur Löschen" gestartet, um dem Hass auch aktiv entgegenzuwirken: Entdecken Medien strafbare Kommentare in ihren Social-Media-Auftritten, können sie diese direkt zur Anzeige bringen. Hunderte Fälle sind im Rahmen dieses Programms mittlerweile bearbeitet worden.
[22:29] NetzDG 2.0 - über das geplante Update für das Gesetz
Die Politik arbeitet an einem Update für das NetzDG – und wieder gibt es scharfe Kritik. Eine im Rahmen dieses Updates geplante Pflicht zur Herausgabe von Passwörtern zum Beispiel wirft Fragen auf: Anbieter, die Passwörter gesetzeskonform speichern, müssen sie zum Beispiel verschlüsseln – wie sollen sie diese dann im Klartext herausgeben können?
Auch weitere Punkte, mit denen das sowieso schon umstrittene Gesetz überarbeitet werden soll, rufen Bürgerrechtler auf den Plan. Und Juristen monieren, dass den Plattformen weitere Aufgaben aufgedrückt werden sollen, die eigentlich Aufgaben des Staates wären – ein billiges Gesetz also, statt selbst Geld für eine besser ausgestattete Justiz in die Hand zu nehmen?
[54:06] Das NetzDG als Vorbild für autoritäre Staaten
Eins der ersten Länder, die eine eigene Gesetzgebung gegen unerwünschte Inhalte im Netz angekündigt und sich dabei explizit aufs NetzDG bezogen haben, war Russland. Der dazugehörige Gesetzesvorschlag ist mittlerweile wieder in der Schublade gelandet. Singapur aber hat ein Gesetz gegen Falschmeldungen verabschiedet – und sich dabei explizit auf Deutschland als Vorbild bezogen. Dabei steht Singapur in der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen weit hinten.
Kontakt
E-Mail: cosmotech@wdr.de
Die nächste Ausgabe von COSMO TECH erscheint am 03. März 2020.