Heute Nacht wurden in Miami zum 25. Mal die Latin Grammys verliehen: der wichtigste Musikpreis des Jahres für Musik von Mexiko bis Argentinien. Abräumer des Abends war Juan Luis Guerra aus der Dominikanischen Republik. Es war ein Abend voller Überraschungen. Zunächst durch dieses Comeback: Den dominikanischen Bachata-Maestro kennen viele noch aus den Neunzigern. Aber er hat vor einem knappen Jahr die EP Radio Guira rausgebracht - und die hat scheinbar voll den Zeitgeist getroffen: Album des Jahres, für die Single "Mambo 23" "Record of the Year". Dann auch noch "bestes Merengue/Bachata-Album". Und bester "Tropical Song". Damit ist Juan Luis Guerra völlig überraschend der Gewinner des Abends.
Vielleicht wurde auch ein Stück weit sein Mut geehrt, denn die Platte ist wie eine Radiosendung aufgenommen, mit Hörer-Anrufen und einem Kochrezept zwischendurch. Auch nach 40 Jahren im Business ist er also immer noch innovativ. Jorge Drexler aus Uruguay gewann – next surprise – zum Beispiel als bester Singer-Songwriter und auch den "Song des Jahres" für "Derrumbe". Also zwei Grammys für den Mann mit der empathischen Stimme und den klugen Texten.
Frauen dominieren die junge Generation.
Karol G aus Kolumbien ist ein kleines Kunststück gelungen. Denn sie hat zum zweiten Mal in Folge den Latin Grammy für das "beste Urbano-Album" gewonnen für Manana Sera Bonito (Bichota Season), eine Deluxe-Version des Vorgängers.
Karol G bedankte sich beim Publikum für die „Liebe von allen“, diese gebe ihr die Sicherheit. Damit scheinen in der Latin-Community die Wogen wieder geglättet. Denn Anfang der Woche hatte sie ja noch einen Shitstorm erhalten, wegen der sexistischen Lyrics bei ihrem neuen Song "+57". Außerdem zwei wichtige Namen der jungen Generation: Produzent Edgar Barrera aus Miami gewinnt drei Grammys als bester Produzent, bester Songwriter und bester regionaler mexikanischer Song. Pop-Diva Nathy Peluso aus Argentinien nimmt auch drei Trophäen mit nach Hause: bestes Langformat-Video, bester Alternative Song und bester Rap-Song.
Zum 25. Jubiläum wurde auch eine neue Kategorie eingeführt. Für die beste Darbietung elektronischer Latin-Music. Sie ging an den jungen argentinischen Producer Bizzrap und die Kolumbianerin Shakira für "Bzrp Music Sessions, Vol. 53 im Tiësto Remix".
Tinariwen mit historischen Aufnahmen: "Idrache (Traces from the past)"
"Idrache (Traces from the pas)" heißt das neue Album der Wüstenblues-Kultband aus Algerien. Aber eigentlich ist es gar nicht neu. Die zwölf Songs sind tatsächlich historische Demo-Tapes. Allesamt Anfang der Nullerjahre aufgenommen in ihrer algerischen Heimat. Die meisten Titel sind auf späteren Alben rausgekommen, aufpoliert, abgemischt, mit Overdubs. Diese Aufnahmen sind sozusagen die ROH-Diamanten – die ursprünglichen Sessions. Damit wird auch die Geschichte dieser Band erzählt. Denn Tinariwen sind die Urväter des Desert Blues und spielen seit den Achtzigerjahren zusammen. Elektrische Gitarren treffen auf traditionelle Percussioninstrumente der Tuareg. Gesungen wird in Tamaschek und auf Französisch. Sie haben schon lange zusammen gespielt, bevor sie vor rund zwanzig Jahren das erste Mal richtig im Studio aufgenommen haben.
Tinariwen haben Welterfolge gefeiert
Sie konnten mit Musikern wie Carlos Santana spielen, tourten immer wieder durch Europa und die USA und gewannen 2012 einen Grammy für das beste Weltmusikalbum. Auch wir in COSMO haben Tinariwen immer wieder zu Gast gehabt. Zwar machte die Band musikalisch keine Kompromisse, aber von einem tontechnischen Standpunkt her wurde ihr Sound immer "sauberer" oder "besser". "Idrache (traces from the past)" ist was für Liebhaber und Leute, die gerne wissen wollen, wie Tinariwen vor dem Hype klangen. Eine Reise in die Vergangenheit. Ungeschliffene Nullerjahre-Aufnahmen, die ihren Sound in seiner rohesten Form zeigen.