Eine Inderin, die in den USA lebt und auf Französisch singt, das soll ihr erst einmal jemand nachmachen! Rupa Maryas Leben ist ein geografischer und kultureller Schlingerkurs, bei dem sie von einer Sprache in die andere, von einer Lebensart, einer Gesellschaftsform in die nächste purzelte: Sie ist als Tochter von Eltern aus dem Punjab in der San Francisco Bay Area geboren, wurde aber schon mit 4 Jahren zurück zu ihren Großeltern nach Nordindien geschickt. Nachdem sie dort die ersten Schuletappen absolviert hat, holt die Familie, die inzwischen in Südfrankreich lebt, die zehnjährige Göre von Asien nach Europa. Doch jetzt ist Rupa wieder da, wo sie zur Welt kam, im Mission District von San Francisco, einem Viertel, in dem viele Immigranten und politische Flüchtlinge aus Süd- und Mittelamerika leben und unzählige Künstler und Musiker. Rupa hat enge Verbindungen zu beiden gesellschaftlichen Gruppierungen, mit den einen steht sie abends auf der Bühne in Clubs und Theatern. Die anderen sind ihre Patienten, denn die Frau mit den pechschwarzen Locken ist nicht nur Musikerin, sondern auch Ärztin für Innere Medizin in einer Krankenhausambulanz und besonders engagiert im Bereich medizinische Versorgung von legalen und illegalen Einwanderern.
Französisch, Spanisch, Englisch
Nimmt man die verschiedenen Zutaten aus Rupa Maryas Leben und gibt noch ein paar Spritzer indische Philosophie, eine Messerspitze angloamerikanischen Folk, eine Handvoll Saudade und ein paar große Esslöffel kritischen Geist dazu, dann hat man in etwa das Rezept für ihre Songs. Auf der Basis einer instrumentalen Besetzung mit Gitarre (die sie selbst spielt), Trompete, Cello, Akkordeon, Bass, Glockenspiel, Schlagzeug, Bandoneon, E-Kontrabass, erzählt Rupa mal mit Lolita-Stimme, mal mit schwerer Melancholie-Schlagseite, mal mit erotischem Unterton ihre Geschichten. Das Album-Debut "eXtraOrdinary rendition" (2008) ist bereits ein Musiktheater mit einer ganz und gar eigenwilligen Mischung aus Musette, Milonga und Mariacchi, aus Chanson, Swing und Nino Rota-Stimmungen. Mit wenigen Ausnahmen singt sie Französisch. Auf dem Nachfolgewerk Este Mundo treten zum bisherigen Stilmix Cumbia, Brasil-Tupfer und zahlreiche Feldaufnahmen hinzu. Die eigentliche Überraschung lauert jedoch auf textlicher Ebene, die dieses Mal auf Spanisch in Angriff genommen wird: Die Grenze zwischen den USA und Mexiko mit seinen Wirtschaftsflüchtlingen ist Thema, Verse von Krishnamurti und dem Sufi Hafez zieren die Lyrics, ebenso eine Widmung an Pablo Neruda.
Built
Das dritte Album "Built" (2012) überrascht Rupas Fans mit einem weiteren Novum: Gesungen wird dieses Mal größtenteils auf Englisch. Rupa hat mit großer Aufmerksamkeit die globalen Turbulenzen der letzten Jahre und die Rebellionen von unten verfolgt: von Occupy bis zum Arabischen Frühling. Diese Erfahrungen bündelt sie auf dem Album und sät humanistische Unkrautsamen mit ihren Songs: gegen die Privatisierung von Wasser, gegen Polizeigewalt, gegen Ungerechtigkeit, Menschenverachtung und gegen das Vergessen. Musikalisch ist Samba-Reggae und mit einem Gastauftritt von Rapper Black eine Spur Hiphop dazugekommen. Dazu gesellen sich atmosphärische Sample-Einsprengsel mit Zitaten von Salvador Allende, Menschen auf dem Tahir-Platz in Kairo, in Palästina oder in Griechenland. Den neuen Mix nennt Rupa: Electric Gumbo Radio.
Diskografie:
- Extraordinary Rendition (2008, Cumbancha)
- Este Mundo (2009, Cumbancha)
- Build (2012, Electric Gumbo)
- Live At The Independent (2014, Electric Gumbo)