Nach dem Tod ihres Vaters öffnet sie die Luke zum Dachboden, stöbert in den Relikten seiner Vergangenheit - und entdeckt ein Familiengeheimnis, das eng mit deutscher Geschichte und Gegenwart verbunden ist. Vier Jahre lang hat Traudl Bünger recherchiert, um herauszufinden, worüber ihr Vater ein Leben lang schwieg. Entdecke die entscheidenden Ereignisse des Podcasts und ihre historischen Zusammenhänge in unserem Zeitstrahl.
1950 - 1960
Deutschland in den 1950ern: Der Zweite Weltkrieg hat seine Spuren hinterlassen, das Land befindet sich im Wiederaufbau. Viele Menschen wünschen sich einen Neuanfang. Aber nicht alle: Bereits wenige Jahre nach Kriegsende entstehen rechtsnationale Organisationen. Die Langzeitfolgen ihrer Taten sind bis in die Gegenwart wirksam.
1956 bildet sich der "Bund Nationaler Studenten" (BNS). Sein Ziel: die Verbreitung nationalistischer Gedanken an deutschen Universitäten. Die Organisation wird 1961 vor dem Hintergrund der Hakenkreuzschmierwelle 1959/1960 als verfassungsfeindlich eingestuft und verboten. Bis dahin hat der BNS etwa 450 Mitglieder gehabt - darunter spätere Publizisten und Vordenker der Neuen Rechten, NPD-Gründungsmitglieder - und Traudl Büngers Vater und Onkel.
Südtirol - ein Sehnsuchtsort für deutsche Rechtsnationale: ein Ort, dem sie sich historisch verbunden fühlten, mit dem sie sich ethnisch solidarisierten und der zum Symbol für den Kampf gegen die Nachkriegsordnung und die Beschränkung des "deutschen Lebensraums" wurde. Auch Traudls Vater und Onkel knüpfen Kontakte zu Sympathisanten des "Befreiungsausschuss Südtirol".
1960 - 1970
Ein alter Konflikt bricht auf und leitet die "Bombenjahre" in Südtirol (1956 - 1972) ein. Vorausgegangen ist die harte Politik der Italienisierung der deutschsprachigen Bevölkerung in Südtirol unter Mussolini sowie Völkerrechtsverletzungen nach 1945. Der Südtirol-Konflikt gerät Anfang der 1960er durch eine Serie von Anschlägen auf Strommasten ins Bewusstsein der Weltöffentlichkeit.
Auch Traudl Büngers Vater ist an Attentaten in Italien beteiligt: Unter anderem an einem Anschlag am 20. Oktober 1962 im Bahnhof von Verona. 15 Menschen werden verletzt, ein Mensch stirbt an den Folgen seiner Verletzungen.
Am 30. Juni 1963 wird der Mittäter Manfred S.* in Ost-Berlin verhaftet, nachdem er Sprengsätze an repräsentative Gebäude der DDR gelegt hatte. Im Februar 1964 startet ein Schauprozess in der DDR gegen ihn.
Dieser Schauprozess ist Teil der "Aktion Internazi", mit der die Propaganda-Abteilung der DDR die BRD als faschistischen Staat anklagt. Die Kampagne trägt zur Verschärfung der politischen Spannungen zwischen den beiden deutschen Staaten bei.
In seinen Aussagen belastet Manfred S.* Traudl Büngers Vater. Dieser wird 1966 in Leverkusen verhaftet, jedoch wegen mangelnder Beweise 1967 aus der U-Haft entlassen. Zuvor ist er bereits im Prozess in Italien in Abwesenheit zu 21 Jahren und 7 Monaten Zuchthaus verurteilt worden - Auslieferung rechtlich unmöglich**.
1964 gründet sich die Partei der NPD, unter anderem durch frühere Aktivisten des Bundes Nationaler Studenten. Schon damals als rechtsextrem eingestufte Netzwerke reichen bis heute weit ins bürgerliche Milieu hinein - eine Szene, die sich seit den 1960er Jahren zunehmend radikalisiert.
*Der Name der betreffenden Person wurde in Buch und Podcast geändert.
**Auslieferungen nach Italien sind auf der Grundlage eines Europäischen Haftbefehls erst seit 2004 möglich.
1970 - 1980
Willy Brandt (SPD) wird 1969 Bundeskanzler. Seine neue Ostpolitik sorgt für eine Entspannung und Verständigung der Bundesrepublik mit den Staaten des Warschauer Pakts. Die BRD und die DDR nehmen erstmals diplomatische Beziehungen auf.
Im Dezember 1974 wird Manfred S. in der DDR begnadigt und reist in die BRD aus. Noch einmal wird Traudl Büngers Vater verhaftet und vernommen - 1975, im Jahr ihrer Geburt. Der Prozess in Köln endet im Mai 1980 mit einer Verurteilung wegen Sprengstoffverbrechens zu dreieinhalb Jahren Haft in erster Instanz.
1980 - 1990
Februar 1982: der Bundesgerichtshof in Karlsruhe stellt Verfahrensfehler im Prozess gegen Traudl Büngers Vater fest. Das Urteil gegen ihn wird aufgehoben. Im Oktober 1982 wird das Verfahren eingestellt. Hier endet auch der Zeitstrahl unseres Podcasts - nicht jedoch die Auswirkungen dieser Ereignisse, die bis heute sichtbar sind.
Zunächst aber ereignet sich ein ganz anderer Meilenstein in der Geschichte - die Deutsche Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 nach dem Fall der Mauer 1989, durch die die Teilung des Landes nach dem Zweiten Weltkrieg überwunden wird. Der Kalte Krieg endet.
1990 - 2000
In den 1990er Jahren entwickeln sich weiterhin rechtsextreme Netzwerke in Deutschland. Das Internet eröffnet neue Möglichkeiten der Vernetzung und Verbreitung rechtsextremer Ansichten. Es entstehen Gruppierungen, die den Nährboden für extremistische Aktivitäten bilden - und den Grundstein für die späteren Aktivitäten der rechtsextremen Terrorgruppe NSU (Nationalsozialistischer Untergrund).
2000 - 2010
Die Terrorgruppe NSU verübt zwischen 1998 und 2011 eine Serie von rassistisch motivierten Morden, Bombenanschlägen und Banküberfällen, tötet dabei 10 Menschen und verletzt 23 weitere Personen schwer. Die Ermittlungen und der Prozess gegen die Täter enthüllen Versäumnisse der Sicherheitsbehörden im Umgang mit Rechtsextremismus.
Seit 2010
2013 gründet sich die Partei AfD (Alternative für Deutschland) als europaskeptische und nationalliberale Partei. 2015 erfährt sie im Zuge des Essener Parteitags einen deutlichen Rechtsruck - ein Wendepunkt in der politischen Entwicklung der Partei, die heute rechtspopulistisch agiert und vom Verfassungsschutz als sogenannter Verdachtsfall des Rechtsextremismus geführt wird.
Am 25. November 2023 findet ein Treffen in Potsdam von AfD-Politikern, Neonazis und Unternehmern statt, um einen "Masterplan" zur "Remigration" von Millionen Menschen aus Deutschland zu entwickeln. Das Treffen wird von dem Recherchekollektiv Correctiv aufgedeckt und sorgt für einen Skandal. Die Nähe der AfD zu rechtsextremen Kreisen und menschenverachtenden Ideen wird erneut deutlich.
Traudl Büngers Vater stirbt im Herbst 2016, ohne über seine Taten gesprochen oder seine rechtsradikale Haltung überdacht zu haben. Auch heute, Jahrzehnte nach dem Ende des Kalten Krieges, sind die Auswirkungen einer Radikalisierung spürbar, die Heinrich Bünger mitgestaltet hat. Umso entscheidender, die historischen Wurzeln dieser Phänomene sowie Muster zu erkennen und die Gegenwart aus der Vergangenheit heraus zu verstehen.