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Richard Wagner

Werkeinführung: Richard Wagner - Sinfonische Auszüge aus dem Bühnenfestspiel "Der Ring des Nibelungen"

Wie die meisten Menschen hat Thea Dorn zu Richard Wagner ein gespaltenes Verhältnis. Dennoch erkennt sie in Wagner nicht nur den "Sündenfall", sondern auch die "Apotheose der deutschen Musik".

Eine Art "Affenliebe" verbinde sie mit Wagner, hat die überaus musikkundige Schriftstellerin einmal in einem Interview über den Komponisten bekannt, der ihre Pubertät beherrschte. Ein Nachklang dieser Amour fou ist das Kapitel zur Musik in der Gemeinschaftsarbeit "Die deutsche Seele", die Thea Dorn zusammen mit dem rumäniendeutschen Autor Richard Wagner (!) verfasst hat. Da erfährt man in knapper und hellsichtiger Form viel über Wagners Konzept der "totalen Kunst", mit dem er den Königen und dem Bürgertum seiner Zeit die eigene Korruptheit im Gewand altnordischer und germanischer Sagen entgegenhielt – in riesenhaften Musikdramen, deren Texte Wagner selbst zu Papier brachte. Der sozialrevolutionäre Aspekt seines Hauptwerks "Der Ring des Nibelungen", in dem ein mit dem Kapitalismus paktierender Herrscher (Wotan) sich vielfach schuldig macht und am Ende resigniert, ging in der Endphase des Projekts allerdings etwas verloren: Schließlich brauchte Wagner für seine Festspiel-Idee viel Geld und musste darum seinerseits mit den Mächtigen paktieren. "Bei aller Abneigung gegen den Feudalismus", schreibt Thea Dorn, "fiel ihm kein anderer Ausweg ein, als auf private Gönner oder die Tat eines entschlossenen Fürsten zu hoffen". Er fand sie im "Märchenkönig" Ludwig II. und in den Mitgliedern des Patronatsvereins, die allesamt die ersten Bayreuther Festspiele im Jahr 1876 ermöglichten.

Thea Dorn - Vortrag zum Thema: "Musik": Weltkultur oder die deutscheste aller Künste

WDR Sinfonieorchester Video 23.01.2020 28:06 Min. Verfügbar bis 30.12.2099 WDR 3

Der Zeit trotzendes Werk

Auf dem Programm stand damals ein einziges Werk von etwa 16 Stunden Dauer: "Der Ring des Nibelungen", ein vierteiliger Zyklus aus einem einaktigen und drei dreiaktigen "Musikdramen", wie Wagner seine spezielle Variante der Oper nannte. Inhaltlich geht es um die Vergewaltigung der schuldlosen Natur, symbolisiert durch den Raub des Goldes in den Tiefen des Rheins. Vom Nachtalben Alberich wird dieses Gold zum Ring geschmiedet: Er steht für den bedingungslosen Willen zur Macht, der die Liebe tötet. Schicksalhaft wandert der Ring von Oper zu Oper und von Opfer zu Opfer – bis zum totalen Weltenbrand am Ende der "Götterdämmerung". Was danach kommt, lässt Wagner im Unklaren. Jedenfalls hat sein eigenes Werk auch den Missbrauch durch die Nationalsozialisten überstanden und in neueren Inszenierungen bewiesen, dass es alle Widersprüche der kapitalistischen, aber auch der deutschen Gesellschaft bis heute abzubilden weiß.

Man muss nicht eigens betonen, dass in einem solchen Projekt der Text eine zentrale Rolle spielt und für Wagner letztlich wichtiger war als die Musik. Und selbst Lorin Maazel betont im Vorwort zu seinen orchestralen Auszügen des Zyklus unter dem Titel "Der 'Ring'ohne Worte", "dass der 'Ring' als Musikdrama konzipiert ist, für die Bühne und mit Sänger-Darstellern". Dass Maazel dennoch, im Auftrag des Plattenlabels Telarc, den Versuch machte, alle Worte auszuklammern und die Gesangsstimmen an wenigen Stellen passenden Instrumenten anzuvertrauen, hängt eng zusammen mit der neuartigen Rolle, welche die Musik im "Ring des Nibelungen" spielt. Wagner besetzte nämlich seine Figuren, vor allem aber Handlungsmotive und emotionale Beziehungen bis hin zu abstrakten Begriffen wie "Natur" oder "Vertragstreue" mit bestimmten musikalischen Erkennungszeichen, die man später als "Leitmotive" bezeichnet hat. Diese Motive sind in den Musikdramen eng an die Handlung geknüpft und schaffen einen ständig fließenden Untergrund zum Text, den das Orchester auf subtile Weise illustriert und kommentiert. Musik schafft bei Wagner somit nicht nur einen emotionalen Raum, sondern ist fester Bestandteil einer mehrschichtigen Textauslegung.