A
B
C
D
E
F
G
H
I
J
K
L
M
N
O
P
Q
R
S
T
U
V
W
X
Y
Z
Peter Tschaikowsky

Werkeinführung: Peter Tschaikowsky - Konzert D-Dur für Violine und Orchester op. 35

Von Norbert Hornig

Ja, Kritiker können gnadenlos sein, und sie können gewaltig irren. Wie der Wiener Musikpapst Eduard Hanslick, der Tschaikowskys Violinkonzert auf eine Art und Weise niedermachte, wie es heute wohl niemand mehr wagen würde. Hanslick hörte aus dem Werk unter anderem "ein seltsames Gemisch von Originalität und Rohheit, von glücklichen Einfällen und trostlosem Raffinement" heraus. Da werde "nicht mehr Violine gespielt, sondern Violine gezaust, gerissen, gebleut". Tschaikowsky konnte die verbalen Entgleisungen von Hanslick bis zu seinem Lebensende auswendig zitieren. Doch letztlich stand der Komponist über dieser Kritik, er verstand es, sich mit Ironie davon zu distanzieren. Das Urteil über sein Violinkonzert fällte die Nachwelt, bald gehörte es zum eisernen Bestand des romantischen Konzertrepertoires. Ein Meisterwerk.

Das Solo verlangt in den Außensätzen eine enorme Virtuosität. Der berühmte russische Geiger Leopold Auer, der eigentlich die Uraufführung in St. Petersburg übernehmen sollte, hielt es damals gar für unspielbar. Erst Adolf Brodsky, der spätere Widmungsträger, wagte am 4. Dezember 1881, das Konzert erstmals mit den Wiener Philharmonikern unter Hans Richter öffentlich zu spielen. Tschaikowsky zeigte sich "gerührt von Brodskys Kühnheit, sich zum ersten Mal mit einem so schwierigen, neuartigen Werk hervorzuwagen".

Tschaikowsky komponierte sein Violinkonzert im Frühjahr 1879 in nur wenigen Wochen in Clarens am Genfer See, kurz nach der Vollendung seiner Oper "Eugen Onegin" und der vierten Sinfonie. Virtuosität gibt es viel in diesem Werk, aber auch beglückende Momente von Aufrichtigkeit und Seelentiefe. Über den langsamen Mittelsatz, eine "Canzonetta", schrieb Tschaikowskys Gönnerin Nadeschda von Meck: "Wie viel Poesie und welche Sehnsucht in diesen Sons voilés, den geheimnisvollen Tönen". Und der Geiger Yehudi Menuhin sagte einmal, man solle bei der Interpretation immer daran denken, dass Tschaikowsky auch ein Ballettkomponist war.