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Der Komponist Peter Tschaikowsky

Werkeinführung: Peter Tschaikowsky - Sinfonie Nr. 4 f-Moll op. 36

Von Michael Struck-Schloen

Im Sommer des Jahres 1877 erhielt Nadeschda von Meck, die Witwe eines Eisenbahn-Unternehmers, einen Brief von ihrem Freund Peter Tschaikowsky, in dem er seine Hochzeit mit Antonina Miljukowa ankündigte. Natürlich war von Meck nicht verborgen geblieben, dass Tschaikowsky eher Männer als Frauen liebte und die Heirat als Möglichkeit sah, vor der bürgerlichen Gesellschaft einen ganz normalen Ehemann abzugeben. Doch die Katastrophe ließ nicht auf sich warten: Zwei Wochen nach der Hochzeit flüchtete der Komponist aus dem neuen "trauten Heim", versuchte sich zu ertränken und erlitt einen Nervenzusammenbruch. Tschaikowskys Freunde sorgten für eine Trennung von Antonina, die sich mit Geld abfinden ließ und die letzten Jahre ihres Lebens in einer Nervenheilanstalt verbrachte.

Eine Geschichte wie aus dem Groschenroman – und doch typisch für den psychisch labilen Tschaikowsky, der seine Krise, wie so oft, durch Musik verarbeitete. Und wenn man die tragische Fanfare am Beginn seiner vierten Sinfonie hört, die im Jahr seiner Ehekatastrophe entstand, wenn später die ständigen Steigerungswellen und hysterischen Ausbrüche dieses Werks über einen hinwegrauschen, wird deutlich: Diese Musik ist extrem und arbeitet mit allen Mitteln, um die Zuhörer:innen in ein instrumentales Drama hineinzuziehen.

Auf Bitten von Nadeschda von Meck hat Tschaikowsky ein ausführliches Programm zu seiner Sinfonie geliefert: "Die Einleitung enthält die Keimzelle der ganzen Sinfonie. [...] Es ist das Schicksal, jene verhängnisvolle Macht, die [...] wie ein Damoklesschwert über unserem Kopf hängt und unsere Seele immerfort vergiftet." Allein viermal hört man das wogende "Schicksalsthema" im ersten Satz und einmal am Schluss des Finales. Nur die beiden mittleren Sätze – ein liedhaftes Andante und eine Pizzicato-Studie mit Volksfest-Einlage – bleiben vom tönenden "Damoklesschwert" verschont. Auch wenn das Publikum der Petersburger Uraufführung im Jahr 1878 vom autobiografischen Hintergrund des Werks wenig ahnte, reagierte es enthusiastisch mit "Applaussturm, Rufen und Füßetrampeln".