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Der Komponist Richard Strauss 1888 als Student

Werkeinführung: Richard Strauss - Orchesterlieder

Von Kerstin Schüssler-Bach

In seinem Verhältnis zu Richard Strauss fühle er sich, so Gustav Mahler, an zwei Bergleute erinnert, "die von entgegengesetzten Seiten in einen Schacht hineingraben und sich auf ihrem unterirdischen Wege begegnen". Mit seinen Orchesterliedern schürfte Strauss nach farbigen Edelsteinen, mit seiner 9. Sinfonie bohrte sich Mahler durch Sedimentgesteine – zwei Goldsucher im Reich der Orchestermusik.

Über 200 Lieder hat Richard Strauss geschrieben. Und er wusste, dass das intime Genre des Klavierlieds durch eine effektvolle Klangerweiterung eine noch größere Publikumswirkung erzielte. Die meisten seiner 42 Orchesterlieder wurden nachträglich instrumentiert – Stücke, die sich bereits in der Klavierversion als wahre Schätze erwiesen hatten und in Strauss’ unübertroffener Instrumentationskunst noch betörender strahlen. Doch auch in Arrangements durch Kollegen verbreiteten sie sich.

Den unbekannteren Brentano-Liedern von 1918 wollte Strauss noch 1940 neue Möglichkeiten erschließen, denn "ich finde, dass dieselben wirklich sehr gut und dankbar sind". Uraufgeführt im folgenden Jahr in Düsseldorf durch Erna Schlüter, ist "Säusle, liebe Myrthe" ein Beispiel für die unendlichen Windungen in Strauss’ silbriger Melodik. Die Orchesterfassung lässt koloristisch die Brunnen rauschen und die Grillen zirpen. Natureindrücke sind der Oboe anvertraut, während gedämpfte Streicher in den Schlaf wiegen.

"Zum Kitsch die meiste Begabung"

An eines seiner beliebtesten Lieder, dem quirligen "Ständchen" von 1886, legte Strauss nicht selbst Hand an. Der Dirigent Felix Mottl (1856–1911) schuf 1895 die Orchesterfassung mit etwas erdigerem Klang, als die luftige Klavierfassung vermuten lässt. Kichernde Elfen und Zauberhörner verbreiten einen Schuss "Sommernachtstraum"-Atmosphäre.

"Am besten liegen mir süddeutschem Bourgeois 'Gemütskisten'", sagte Strauss später selbstironisch. "Muss man siebzig Jahre alt werden, um zu erkennen, dass man eigentlich zum Kitsch die meiste Begabung hat?" Darin lag aber auch ein Teil des sofortigen Erfolgs vieler seiner Lieder, wie etwa des üppig-jugendstilrankenden "Allerseelen". Das berührende Lied von 1885 ist eine Kommunikation mit dem toten Geliebten – die ersehnte Begegnung bleibt nur eine Illusion. Ursprünglich für Tenor geschrieben, aber oft von Strauss’ Frau Pauline gesungen, wurde "Allerseelen" 1929 von dem Dirigenten Robert Heger (1886–1978) orchestriert.

Einen heimeligen Lichterschein, im Verzicht auf Flöten und durch einen warm grundierten Streichersatz, verbreitet die im Juni 1918, gegen Ende des Ersten Weltkriegs, hergestellte Orchesterfassung von "Winterweihe". Das im Jahr 1900 komponierte Lied beschwört die "trauliche" Liebe als Insel der Seligen inmitten des Räderwerks der Zeit.

Musikalisches Hochzeitsgeschenk

Nichts hat Strauss so inspiriert wie die Stimme seiner Frau Pauline, einer erfolgreichen Sängerin. Als "reichen und süßen Sopran, leuchtend wie ein warmer Sonnenstrahl" hatte sie einst der Kritiker Eduard Hanslick beschrieben. Auch "Waldseligkeit" (1901) ist Pauline Strauss gewidmet. Die betörenden Farben der Orchesterfassung (1918) zeichnen die mystische Verbundenheit mit der Natur nach. Mit dem dunklen Klang der Holzbläser glaubt man, auf moosigem Waldboden zu stehen, während das Harmonium eine feierliche Würde verbreitet und die Streicher das flirrende Licht durch die Blätter leuchten lassen.

Als Hochzeitsgabe schenkte Strauss seiner Pauline 1894 die Liedersammlung op. 27 mit "Morgen!". Drei Jahre später führte er mit ihr die Orchesterversion in Brüssel auf. Gerade dieses Lied, so erinnerte sich Strauss, habe seine Frau "mit einem Ausdruck und einer Poesie vorgetragen, wie ich sie nie mehr gehört habe". Fin-de-siècle-Weltflucht blüht in diesem träumerischen Liebesgesang auf. Ein inniges Violinsolo über Harfenarpeggien führt in die Hoffnung auf das Glück.