Noch immer stößt die Musik von Jean Sibelius im deutschsprachigen Raum auf Vorbehalte. Den Erfolg seines Violinkonzerts jedoch kann dies kaum schmälern: Es ist das meistaufgeführte und am häufigsten eingespielte Violinkonzert des 20. Jahrhunderts. Sibelius’ Ehefrau Aino erkannte das Einzigartige dieses Werks bereits, als Sibelius daran arbeitete: Ihr Mann sei "die ganze Zeit in Hochstimmung gewesen [...]. Er hat eine solche Menge von Motiven, die sich ihm aufdrängen, dass er förmlich wirr im Kopf gewesen ist. Die Nächte hindurch wacht er, spielt wunderbar schön, kann sich nicht von den verzaubernden Tönen losreißen – er hat so viele Ideen, dass es kaum zu glauben ist. Und alle Motive so entwicklungsfähig, so voll von Leben." Sein Eindruck bei der Uraufführung 1904 hat Sibelius selbst allerdings noch nicht ganz von seinem Werk überzeugt. An einen Freund schrieb er: "Ich nehme mein Violinkonzert zurück, es wird erst in zwei Jahren erscheinen. Der erste Satz muss gründlich umgearbeitet werden, auch die Proportionen im Andante usw." Tatsächlich hat Sibelius das Werk gestrafft und das Überbordende des Soloparts und auch der Orchesterbegleitung entschlackt. Dadurch hat er eine einmalige Balance geschaffen zwischen Virtuosität und musikalischem Anspruch. Das Schwebende und zugleich Schönheitstrunkene des ersten Satzes ist singulär im Violinkonzert-Repertoire. Und das innige Adagio und der vorwärtstreibende Kehraus des letzten Satzes bilden das ideale Kontrastpaar.