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Franz Schubert - Sinfonie Nr. 8 C-Dur D 944 "Große"

WDR Sinfonieorchester Video 22.02.2019 56:33 Min. Verfügbar bis 30.12.2099 WDR 3

Werkeinführung: Franz Schubert - Sinfonie Nr. 8 C-Dur D 944 "Große"

Von Torsten Möller

"Der Sinfoniker Beethoven" geht einem leicht über die Lippen, doch "der Sinfoniker Schubert" fremdelt ein wenig im Hals. Franz Schubert tat sich lange schwer mit der hehren Gattung Sinfonie. Nun endlich, in der achten Sinfonie, zeigt er sich als eigenständiger Komponist, der sich emanzipiert hat von Erwartungshaltungen, auch von manchen Klischees. Er ist kein avantgardistischer Stürmer und Dränger, aber hebt die Sinfonie doch auf eine andere Ebene.

Nicht zufällig wird sie "Große C-Dur-Sinfonie" genannt. Das um 1827 beendete Werk ist mit seiner Spieldauer von annähernd einer Stunde fast so lang wie Beethovens in jeder Hinsicht außergewöhnliche Neunte. Erst fast fünfzig Jahre später erreichen Anton Bruckner oder Gustav Mahler wieder solche sinfonischen Dimensionen.

Die Achte war eine Spätgeburt. Lange als unspielbar geltend, hatte sie erst 1839 im Leipziger Gewandhaus Premiere – mehr als zehn Jahre nach Schuberts Tod. Noch im selben Jahr besuchte Robert Schumann eine Orchesterprobe der Schubert-Sinfonie, worauf er umgehend an seine Frau schrieb: "Clara, heute war ich selig. [...] Wärst Du da gewesen. Die ist Dir nicht zu beschreiben, das sind Menschenstimmen, alle Instrumente, und geistreich über die Maßen, und diese Instrumentation trotz Beethoven – und diese Länge wie ein Roman in vier Bänden [...]. Ich war ganz glücklich und wünschte nichts, als Du wärest meine Frau und ich könnte auch solche Sinfonien schreiben."

Bad Gastein

Bad Gastein - Aquarell von Jakob Alt

Ja, die "herrlichen Längen", von denen Schumann auch sprach: Schubert liebt die großen Bögen, die langgezogenen Kantilenen, er komprimiert nichts auf engen Raum. Charakteristisch ist die Einleitung: Unscheinbar bringen die Hörner eine unaufgeregte Bewegung in Gang. Hier klopft kein Schicksal an die Pforte, eher lässig flanierend kommen diese Töne daher. Vieles geschieht im Pianissimo oder Piano. Erst die zarten Triolen der Violinen sorgen für leichten Schub. Sie führen hin zum Thema in C-Dur, das aber weder ein strahlend-haydnsches Schöpfungsereignis ist noch ein prägnantes Motiv. Nein, dieses Thema bleibt in der Schwebe. Und Schubert versteht es, das Unscheinbare besonders zu gestalten. In der Zeit, mit der Zeit. Schubert ist ein Klangarchitekt. Er betont nicht so sehr das Punktuelle, sondern Verläufe. Unnachahmlich kann er seine Längen gestalten durch leichte Varianten oder kleinste Färbungen. Im zweiten Satz, einem Andante con moto, erklingt ein Marsch im 4/4-Takt, dazu eine keck-liebliche Melodie der Oboe. Aus dem Monothematischen formt Schubert dann wieder ihm Eigenes. Er kreist viel ums "Thema". Und just an dem Punkt, wo er sich verabschiedet zu haben scheint, da kommt er wieder zum Anfang zurück. Es ist wie eine Reihung von Zirkelschlüssen.

Das Hintergründige ist Schuberts Domäne. Er wurde weder zum Wunderkind hochstilisiert wie Mozart noch zu einem "Titanen" wie Beethoven, der auch deshalb auf den Sockel kam, weil es das schon im 19. Jahrhundert so schrecklich stark ausgeprägte Nationalbewusstsein wollte. Nichtsdestotrotz: Schubert hat seine Spuren hinterlassen. In Robert Schumanns Sinfonien mit ihren strahlend-gesanglichen Melodien, aber auch in Bruckners räumlichen Entwicklungen in ausgedehnten klanglichen und dynamischen Feldern. "Bruckner ist der Schubert unserer Zeit", schrieb ein anonymer Rezensent nach der Uraufführung von Bruckners vierter Sinfonie in Wien im Jahr 1881. Aktuell ist Schubert bis heute geblieben – auch dank dieses skeptischen Tonfalls, der in wirren Zeiten wieder angebracht scheint.

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