Der meistgespielte Opernkomponist Anfang des 20. Jahrhunderts? – Franz Schreker! Heute steht der Österreicher überdeutlich im Schatten von Richard Strauss, aber in den 1920er Jahren hatte er ihn in der Publikumsgunst überflügelt. Schrekers Opern trafen den damaligen Zeitgeschmack: Seine Protagonistinnen und Protagonisten sind psychoanalytisch grundiert, und ihr Handeln bildet mit der Musik eine untrennbare Einheit. Das ist eine Folge daraus, dass Schreker seine Libretti selbst verfasste. Geplant hatte er das ursprünglich nicht, aber als der Schriftsteller Ferdinand von Saar sich zur Idee des "fernen Klangs" skeptisch äußerte, war Schrekers Ehrgeiz entfacht. In nur drei Wochen warf er das Textbuch aufs Papier. Das war 1903. Doch mit der Handlung hatte er sich das Ziel hoch gesteckt: Ein Komponist verlässt seine große Liebe, um in der Welt den "fernen Klang" zu finden, der sein Schaffen einzigartig machen soll. Schreker stand nun vor der Aufgabe, als realer Komponist eine Musik zu imaginieren, die diesem Anspruch gerecht wird. Mit einer Mischung aus Ambition und Selbstzweifeln machte er sich ans Werk. Aber: "Ich schrieb zwei Akte Musik, diese erregte Befremden, ja Schaudern bei allen "Sachverständigen". Aufs Tiefste entmutigt, ließ ich die Arbeit liegen." Schließlich raffte er sich noch einmal auf und schloss die Komposition 1910 ab.
Die Frankfurter Uraufführung von "Der ferne Klang" 1912 war dann ein Paukenschlag. Sie katapultierte Schreker an die Spitze der zeitgenössischen Opernkomponisten. Denn mit dieser und seinen folgenden Opern hat er neben den handelnden Figuren einen weiteren Hauptdarsteller etabliert: den Klang. Nicht von ungefähr haben sich Bezeichnungen wie "Klangsensualismus" oder "irisierende Klangfarben" für Schrekers Musik etabliert.
Das mit "Nachtstück" betitelte Orchesterzwischenspiel aus dem 3. Akt des "Fernen Klang" vermittelt einen guten Eindruck von Schrekers Klangfantasie. Die Szene ist die: Alt und niedergeschlagen sitzt der Komponist in seinem Haus und erkennt, dass er mit der Suche nach dem fernen Klang sein Leben verwirkt hat. Er träumt sich fort in der Erinnerung an seine große Liebe.