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Alfred Schnittke/Vladimir Spivakov/Vladimir Milman - Suite im alten Stil Fassung für Kammerorchester

WDR Sinfonieorchester Video 15.01.2021 17:40 Min. Verfügbar bis 30.12.2099 WDR 3

Werkeinführung: Alfred Schnittke - Suite im alten Stil

Von Torsten Möller

Portätfoto: Alfred Schnittke

Alfred Schnittke

Musik als Ratespiel: Wann könnte das gerade klingende Stück komponiert worden sein? Aus welchem Land stammt es? Und für die Spezialisten: Wer könnte es komponiert haben? Alfred Schnittke führt die Hörer*innen in die Irre. Angenehm liegt seine Musik in den Ohren. Mit hübschen Melodien, geläufigen Rhythmen und aparten Instrumentationen. Nicht nur das Cembalo weist eindeutig in Richtung Barock. Auch der Titel "Suite" und Sätze namens Pastorale, Menuett oder Fuge scheinen die Hör-Diagnose zu bestätigen: ein Georg Philipp Telemann vielleicht? Oder ein neu ans Licht befördertes Werk vom italienischen Barockkomponisten Domenico Scarlatti?

Tatsächlich entstand diese Suite im Jahr 1972. Alfred Schnittke komponierte sie ursprünglich für Violine und Klavier – aber natürlich nicht ohne Vor- und Leitbilder. Schon Igor Strawinsky wurde in seiner neoklassizistischen Phase in den Archiven der Musikgeschichte fündig; Sergej Prokofjew wiederum griff 1918 in seiner "Symphonie classique" einige Elemente auf, die schon um 1780 in Gebrauch waren. Alfred Schnittke kam in der damals noch autonomen Sowjetrepublik der Wolgadeutschen zur Welt. Als Russe fühlte er sich aber weit weniger als einst Prokofjew und Strawinsky. Vor seiner Emigration nach Deutschland schrieb er: "Ich bin halb Deutscher, halb Jude und lebe in Russland – da gibt es keine Lösung."

"Musikgeschichte nicht etwas Ödes aus der Vergangenheit"

Es mag schon sein, dass seine "zerrissene" Identität etwas zu tun hat mit dieser "Suite im alten Stil". Letztlich ist sie aber weniger ein Fall für den Psychoanalytiker als vielmehr das Zeugnis eines Komponisten, der sich für ältere Musik begeistern konnte und sich nicht immer dem Fortschritts- Diktat der Avantgarde unterwarf. "Für mich", so Alfred Schnittke, "bedeutete die Musikgeschichte nicht schon etwas Ödes aus der Vergangenheit, sondern sie war etwas Lebendiges". Vladimir Spivakov und Vladimir Milman bereicherten das Violin-Klavier-Duett in den Jahren 2004 und 2005 mit ihrer das Barocke unterstreichenden Fassung für Kammerorchester.