Im ohnehin bunt schillernden Feld der Neuen Musik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist R. Murray Schafer ein ungewöhnliches Gewächs. Während viele Komponist:innen sich in der Nachkriegszeit mit abstrakter, schwer zu fassender Musik gegenseitig überboten, trat er 1956 mit einem Werk an die Öffentlichkeit, in dem er deutsche mittelalterliche Minnelieder verarbeitete. Es war wie ein Fanal: Zeit seines Lebens scherte sich Schafer nicht um Schulen und Strömungen, sondern ging seinen individualistischen Weg abseits der dominierenden Avantgarde. Der Kanadier etablierte eine eigene Ästhetik, in der Alltagsgeräusche eine zentrale Rolle spielen. Für die "akustische Umwelt, eigentlich jeden Aspekt einer akustischen Umgebung", so Schafer, prägte er den Begriff der "Soundscapes", zu Deutsch etwa "Klanglandschaften". Sein größtes Projekt ist der zwölfteilige Musiktheater-Zyklus "Patria", dessen Dimensionen Wagners "Ring" und Stockhausens "Licht" noch übersteigen. Daneben schuf er Chor- und Orchesterwerke sowie multimediale Installationen, aber auch Kammermusik. In "Wild Bird" aus dem Jahr 1997 verkörpert die Violine den aufgescheuchten Flattergeist, während die Harfe ihm einen Hallraum schafft. Die kräftezehrende Tour endet in hörbarer Ermattung.