Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847)
Am 3. Februar 1829 feierte Felix Mendelssohn Bartholdy seinen 20. Geburtstag. Zwei Monate später brach er in Begleitung von Karl Klingemann, einem guten Freund, zu seiner ersten großen Bildungsreise nach England und Schottland auf. Als Spross der berühmten jüdischen Familie Mendelssohn hatte er eine exzellente, umfassende kulturelle Erziehung genossen, die nun um einen Auslandsaufenthalt ergänzt wurde. Mendelssohn konnte sich dabei unter anderem als Schöpfer seiner erfolgreichen "Sommernachtstraum"-Ouvertüre präsentieren, etwa bei Konzerten in London. Gleichzeitig nutzte er den Aufenthalt zum Studium von Land und Leuten und suchte beliebte Orte auf.
Im August 1829 standen die nordwestlich von Schottland liegende Inselgruppe Hebriden mit ihrer berühmten Fingalshöhle auf dem Programm. Ihren Namen trägt diese Touristenattraktion nach König Fingal, einer mythischen Gestalt aus den "Gesängen Ossians". Diese Gesänge – angeblich Übersetzungen alter gälischer Dichtungen des legendären Keltenvolks – lösten damals eine regelrechte "Keltomanie" aus. Dies änderte sich auch nicht wesentlich, nachdem sie als Fälschungen entlarvt wurden. Selbstverständlich lockte auch Mendelssohn und Klingemann die mythische Fingalshöhle an, als sie per Dampfschiff die stürmische Überfahrt zur Insel wagten. Zwar litt der arme Mendelssohn unter "grässlichster Seekrankheit", entschädigt wurde er jedoch vom spektakulären Anblick hoher eckiger Basaltsäulen, die noch heute den Eingang zur windumtosten Meeresgrotte säumen. Vom Naturschauspiel ergriffen, skizzierte der junge Komponist noch am selben Tag die Anfangstakte eines neuen Werkes in einem Brief an die daheimgebliebene Familie, "um zu verdeutlichen, wie seltsam mir auf den Hebriden zu Muthe geworden ist".
Nach Hause zurückgekehrt, entwickelte Mendelssohn aus diesen 21 Takten seine Ouvertüre "Die Hebriden", die nach mehrmaliger Überarbeitung am 30. Januar 1833 in Berlin ihre Uraufführung erlebte. Mendelssohns Musik stellt keinen Bezug zum sagenumwobenen Umfeld her, sondern konzentriert sich ganz auf die Schilderung des Naturphänomens und entwirft ein atmosphärisches Porträt von Wasser, Meer und Wind.