"Das klag ich an!" Diese letzte Zeile aus Gustav Mahlers Lied "Zu Straßburg auf der Schanz’" könnte als eine mögliche Überschrift über seinem Werk stehen. Mahlers Musik leugnet nicht das Leiden an der irdischen Realität, sie schaut genau hin, spürt Schmerz, Angst und Trauer nach – ohne jede Schönfärberei. Aber: Sie enthebt und erhebt auch, über alle Zweifel, über die Gemeinheit und die Pein. In Mahlers Musik blüht zugleich die Sehnsucht nach einer idealen Welt. "Ich bin von Gott", so fasst dies eine Zeile aus dem Lied "Urlicht" als weitere mögliche Überschrift zusammen. Allen Kämpfen zum Trotz strebt Mahler stets nach seelischem Frieden. Doch immer wieder bricht die Brutalität in die Idylle ein. Und so gesellt sich zur Hoffnung auf ein inneres Glück auch ein Impuls zur Weltflucht. Wie es im Lied "Der Tamboursg’sell" quasi als dritte Überschrift heißt: "Von Euch ich Urlaub nimm!"
Mahlers Werk trägt in sich den Zwiespalt, ein Pendeln zwischen Verzagen und Hoffen. Das prägt seine beiden großen Werkkomplexe, die neun vollendeten Sinfonien ebenso wie seine Lieder. Neben den drei Zyklen "Lieder eines fahrenden Gesellen", den fünf Rückert-Liedern und den "Kindertotenliedern" hat Mahler vor allem Texte aus der Anfang des 19. Jahrhunderts erschienenen Volksliedsammlung "Des Knaben Wunderhorn" vertont. Es sind insgesamt 24 Einzellieder, die in den gut zehn Jahren zwischen 1887 und 1898 entstanden sind. Drei davon hat der Komponist in seine Sinfonien integriert. Insgesamt 15 der Lieder aus "Des Knaben Wunderhorn" hat Mahler gleichfalls in Klavier- und Orchesterversionen gefasst. Drei der Lieder, die nur mit Klavierbegleitung vorliegen, erklingen im heutigen Konzert in Orchesterfassungen von Detlev Glanert, einem der erfolgreichsten Komponisten unserer Zeit. Neben seinem reichen Werk an Opern, Orchesterwerken und Kammermusik reizt es Glanert immer wieder, das klangliche Potenzial von Stücken anderer Komponisten auszuloten, etwa Brahms’ Vier Ernste Gesänge oder Lieder von Schubert. Mahlers neun reine Klavierlieder aus "Des Knaben Wunderhorn" hat Glanert allesamt für Orchester gesetzt.