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Gustav Mahler - Blumine

WDR Sinfonieorchester Video 13.11.2023 07:11 Min. Verfügbar bis 30.12.2099 WDR 3

Werkeinführung: Gustav Mahler - Blumine

Von Otto Hagedorn

Gustav Mahler, der Charakterkopf. Bildnisse aus seinem jungen Erwachsenenalter lassen dies allerdings noch nicht ganz erahnen. Aber der unbändige Wille scheint schon aus seinen Augen zu sprechen: der Wille zu unbedingter Qualität – und das zeichnet auch schon den jungen Komponisten und Dirigenten aus. 1864, Mahler ist ein Mann von 24 Jahren, tritt er eine Stelle als 2. Kapellmeister am Hoftheater in Kassel an. Eine seiner Aufgaben ist das Komponieren von Musiken für die Schauspielproduktionen des Hauses. So auch für eine Bühnenfassung des Versepos "Der Trompeter von Säkkingen" von Joseph Victor von Scheffel, damals eines der meistgelesenen Bücher in Deutschland. Die Hauptfigur darin heißt Werner, und der verliebt sich leidenschaftlich in Margareta. Seiner Profession gemäß widmet er der Angebeteten ein Ständchen auf seiner Trompete. Eine ideale Szene für Mahlers musikalische Phantasie. Der von ihm dafür komponierte Satz soll der einzige seiner gesamten Bühnenmusik bleiben, der vor seinen Qualitätsansprüchen Bestand hat. Die anderen Nummern vernichtet er.

Doch was tun mit diesem Einzelsatz? Vier Jahre später hat Mahler eine Idee für eine Verwendung. Im Jahr 1888, mittlerweile 2. Kapellmeister in Leipzig, wagt er sich an die Komposition seiner 1. Sinfonie. Anfangs ringt er noch mit der Form. Seine erste Idee: eine sinfonische Dichtung in zwei Teilen mit insgesamt fünf Sätzen. An die zweite Stelle setzt Mahler den aus der Bühnenmusik 'geretteten' Satz – nun unter dem Titel "Blumine", womit er einen Titel seines Lieblingsdichters Jeam Paul zitiert. Schließlich aber entscheidet er sich für die klassische Sinfonieform mit vier Sätzen. Die "Blumine"-Musik scheint aus verschiedenen Gründen nicht in das Gesamtkonzept zu passen. Musikalisch ist er für die Himmelsstürme der Sinfonie wohl doch zu friedvoll. Auch die kleinere Orchesterbesetzung will sich nicht ganz in das Klangbild einfügen. Und dann sind da noch die Kritiker, die die Musik als vermeintlich "trivial" abtun. Damit ist das Schicksal dieses Satzes besiegelt: 1896 verbannt Mahler ihn aus dem Reigen der 1. Sinfonie. Erst 70 Jahre später wird "Blumine" in der Yale University wiederentdeckt.