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Ernest Chausson

Werkeinführung: Ernest Chausson - Poème de l'amour et de la mer op. 19a für hohe Stimme und Orchester

Von Otto Hagedorn

Im Sommer des Jahres 1899 verlor die französische Musikwelt einen ihrer besten Komponisten: den erst 44-jährigen Ernest Chausson. Er hatte die Gewalt über sein Fahrrad verloren und starb an den Folgen des Unfalls. In seinem "Poème de l’amour et de la mer" für Solo-Stimme und Orchester malt er eine Klangwelt in leuchtenden Orchesterfarben. Komponiert über den überraschend langen Zeitraum von 1882 bis 1890, überarbeitete Chausson sein tönendes Gedicht noch einmal im Uraufführungsjahr 1893. Er gliederte es in drei Teile, nämlich zwei je gut 10-minütige Rahmenteile mit Gesang und ein knapp 3-minütiges Orchesterzwischenspiel in der Mitte. Die Texte hat er aus einem Gedichtband seines Freundes Maurice Bouchor (1855–1929) zusammengestellt. Es geht dabei um die Geschichte einer Liebe, die eng verbunden ist mit der Stimmung am Meer. Ursprünglich hatte Chausson innerhalb der beiden Rahmenteile jeweils drei Untertitel vorgesehen, mit der die Stationen der Liebe klar umrissen sind. Und zwar für den ersten: "Vorahnung – Begegnung – Abschied" und für den zweiten "Auf dem Meer – Vergessen – Epilog".

Die Stimmung der Musik reicht von träumerisch und innig bis zu aufpeitschend und jubelnd. Anfangs breitet Chausson einen Teppich aus zarten Klangfarben aus, mit der die Stimmung der ersten Strophe zu Musik wird: "Die Luft ist erfüllt vom zarten Duft der Flieder". Im weiteren Verlauf des ersten Gedichtes scheint das Glitzern der Wellen ebenso zu Musik zu werden wie der Fliederduft – und alles verschmilzt zu einem einzigen Gefühl: der Liebe.

Das kurze Orchesterzwischenspiel fasst in eher fahlen Klängen zusammen, was am Ende des ersten Teils zur Gewissheit wird: So schnell, wie die Liebe erblüht, so schnell ist sie auch wieder verloren. Der zweite Teil des "Poème de l’amour et de la mer" ist überschrieben mit "Der Tod der Liebe". Musikalisch keimt aber erst einmal die Erinnerung an die erste Begegnung auf – damals, als der Flieder blühte. Der Optimismus ist jedoch verfrüht. Im letzten Gedicht überwiegt die Melancholie über den Verlust: "Die Zeit des Flieders und die Zeit der Rosen / ist mit unserer Liebe gestorben für immer."