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Anton Bruckner - Sinfonie Nr. 4 Es-Dur "Romantische"

WDR Sinfonieorchester Video 18.01.2022 01:05:27 Std. Verfügbar bis 30.12.2099 WDR 3

Werkeinführung: Anton Bruckner - Sinfonie Nr. 4 Es-Dur "Romantische"

Von Otto Hagedorn

Anton Bruckner

Anton Bruckner

Sucht man auf dem imaginären Wimmelbild des Wiener Musiklebens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach dem eigenwilligsten Kauz, der durch das Raster der bürgerlichen Konventionen fällt, aber unbeirrt sein Ding macht, fährt der Zoom zielstrebig auf eine Großaufnahme zu – Anton Bruckner. Gilt Alban Berg als der Nonchalante, Zugewandte unter den Wiener Komponisten, so ist der 60 Jahre ältere Bruckner ein Monolith der Undurchdringlichkeit. Eines der am häufigsten bemühten Etiketten für seine neun Sinfonien lautet "erratisch". Das Unumstößliche, das seine Musik ausstrahlt, scheint auch in seiner Persönlichkeit angelegt zu sein. Heute würde man sagen: ein Nerd, der sich seiner Unangepasstheit nicht einmal bewusst zu sein scheint.

Auch in seiner Arbeitsweise ging Bruckner zunächst strukturiert vor wie wenige andere. Bei seiner vierten Sinfonie schossen ihm nicht ungebündelt Ideen und Gedanken in den Kopf, sondern er arbeitete sich systematisch linear voran. Erster Satz: 2. Januar bis 26. März 1874; zweiter Satz: 10. April bis 10. Juni; Scherzo: 13. Juni bis 25. Juli; Finale: 30. Juli bis 22. November, und selbst die Uhrzeit hielt Bruckner fest: "1/2 9 Uhr abends". Soweit der äußere Anschein – ein vermeintliches Abhaken nach Plan. Doch hinter dem Versuch, sich mithilfe des strukturierten Arbeitsverlaufs Halt zu verleihen, lauert der Selbstzweifel. Kaum ist das Werk fertig, schreibt Bruckner einem Freund: "Kein Mensch hilft mir", und: "Was soll ich thun?". Dieses Spannungsfeld begleitete ihn seine gesamte Laufbahn. Verstärkt durch das Kopfschütteln, mit dem das Publikum anfangs auf seine Sinfonien reagierte, mühte sich Bruckner nahezu unaufhörlich um die Idealform jeder Sinfonie. Und so bestimmten die unentwegten Prozesse der Umarbeitung, des Feilens und des Ringens Bruckners Selbstverständnis als Komponist. Doch was ist die äußere Form gemessen am Fantasiereichtum, mit denen er Klänge zu imaginieren versteht: das Herüberwehen aus unergründlichen Welten am Anfang, das Träumerische des Andante, die sich auftürmenden Steigerungswellen im Scherzo und das Münden des Finales in allumfassenden Jubel.

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