In den Kammerkonzerten des WDR Sinfonieorchesters sind immer wieder Raritäten zu entdecken – beim heutigen Programm gleich zwei spätromantische Werke von York Bowen und Béla Bartók. Schon 2019 stand das "Phantasy Quintet" des hierzulande nahezu unbekannten York Bowen auf unserem Programm. Geboren 1884 in London, machte er ebenso als Pianist wie als Komponist Karriere. Einen seiner größten Erfolge feierte er 1903, als bei den berühmten Proms sein erstes Klavierkonzert uraufgeführt wurde, mit Bowen selbst als Solisten. Im Publikum saß auch Camille Saint-Saëns, der so beeindruckt war, dass er den damals 19-Jährigen als bemerkenswertesten unter den jungen englischen Komponisten titulierte. Später spielten Berühmtheiten wie Fritz Kreisler, Joseph Szigeti oder Efrem Zimbalist Musik von Bowen. Nach seinem Tod 1961 wurde es allerdings still um seine Werke. Erst in den letzten Jahren haben mehrere britische CD-Labels seine Musik wieder ins öffentliche Bewusstsein gebracht.
Neben Klavier hatte Bowen an der Londoner Royal Academy of Music auch Viola und Horn studiert, so dass er im Ersten Weltkrieg seinen Dienst als Hornist in der Schottischen Garde leisten konnte. Neben gängigen Werkgattungen wie vier Klavierkonzerten, zwei Sinfonien und sechs Klaviersonaten komponierte Bowen daher auch explizit für das Horn – neben einer Sonate und einem Solokonzert auch das Quintett in c-Moll. Die Kombination eines Blasinstruments mit Streichern ist in der Musikgeschichte eher eine Ausnahme. Vor allem die Verbindung von Horn- und Streicherklang hält besondere Herausforderungen bereit. Vorbilder gab es für Bowen kaum – von den großen Komponisten schuf nur Wolfgang Amadeus Mozart ein Hornquintett. In seinem Quintett aus dem Jahr 1927 löste Bowen diese Aufgabe, indem er das Horn großteils wie ein Soloinstrument behandelt, das mit dem Ensemble von vier Streichern interagiert. Stilistisch bleibt er dabei der Spätromantik treu – mit einer elegischen Tönung, die charakteristisch ist für seine Musik.