Seit Anfang der 1790er Jahre lebte Ludwig van Beethoven – auf Rat von Joseph Haydn – in Wien. Dort verdiente er sich seinen Lebensunterhalt als Organist und Bratscher und vervollkommnete sein kompositorisches Handwerk unter der strengen Aufsicht des Musikers Johann Georg Albrechtsberger. Beethovens pianistisches Talent und seine umwerfenden Improvisationskünste riefen alsbald adlige Förder*innen auf den Plan. Sein oberstes Ziel war aber, sich in Europas führender Musikmetropole vor allem als angesehener Komponist zu etablieren.
In der Kammermusik erschuf sich Beethoven Räume für kreative Freiheiten. Insbesondere bei der Niederschrift von Streichquartetten erprobte er mit höchster Ambition neueste Ideen und kompositorische Experimente. Natürlich war der Mittzwanziger Beethoven auch hier ein Lernender, der sich etappenweise an immer neue Herausforderungen heranwagte.
Als Vorbild für Beethovens Streichtrios mag Mozarts Divertimento Es-Dur KV 563 gedient haben, das dieser 1788 komponierte. Zudem gab es Ende des 18. Jahrhunderts ein großes Angebot an Musik für drei Streichinstrumente, z. B. von Ignaz Pleyel, Johann Georg Albrechtsberger oder Luigi Boccherini für den privaten oder halb-öffentlichen Bereich. Zu dieser Art von Gesellschaftsmusik gehört auch Beethovens 1796/97 komponierte Serenade op. 8 für Violine, Viola und Violoncello.
Ungefähr zur selben Zeit, zwischen 1796 und 1798, entstanden weitere drei Streichtrios, die Beethoven abschließend unter der Werknummer "Opus 9" zusammenfasste. Gewidmet wurden sie dem russischen Mäzen Graf Johann Georg von Browne-Camus, dem Beethoven im Vorwort mit Stolz berichtet, es handle sich bei diesen drei Streichtrios um seine bis dahin besten Kompositionen ("la meilleure de ses oeuvres").
Mit den Trios op. 9 trat eine leidenschaftlichere Ansprache und persönlichere Prägung in Beethovens Musik hervor. Der verbindliche Unterhaltungston der Serenade D-Dur op. 8 verschwand zugunsten einer neuen Art von Kammermusik, die einem Publikum von Kenner* innen zugedacht war. Innerhalb von Opus 9 zeigt sich das Streichtrio c-Moll Nr. 3 als reifste Komposition, die die Charakteristiken des Zyklus – Belebung der klassischen Form durch originelle Impulse und radikale Kontraste, klangliche Verdichtung, spannungsreiche Dramatik – am gelungensten ausprägt. Opus 9 bedeutete Anfang und Ende zugleich: Zur Beschäftigung mit dem Streichtrio sollte Beethoven zwar nicht zurückkehren. Das Fundament für die nachfolgende reiche Streichquartettproduktion war aber gelegt.