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Ludwig van Beethoven - Serenade D-Dur op. 8

WDR Sinfonieorchester Video 25.06.2019 28:11 Min. Verfügbar bis 30.12.2099 WDR 3

Werkeinführung: Ludwig van Beethoven - Serenade D-Dur op. 8

Von Tilla Clüsserath

"Verknappung der Musik auf Mitteilungswürdiges", "Vermeidung oberflächlichen Zierrats", das "Bemühen um höchste Differenzierung des Ausdrucks". Diese und noch einige andere schöne beschreibende Worte könnte man für die Musik von Beethoven finden – aber auch nicht minder für die des Ungarn György Kurtág. Und das, obwohl die Lebenszeiten beider Komponisten mehr als ein Jahrhundert auseinanderliegen.

Aber Kurtág gibt einen wichtigen Fingerzeig: "Meine Muttersprache ist Bartók und Bartóks Muttersprache war Beethoven". Der Verweis auf die Generationenfolge ist schon deshalb so wichtig, weil sich der Ungar als Teil der europäischen Tradition versteht. Und so knüpfen seine zu aphoristischen Kürzeln neigenden Werke auch bei Beethoven an, der die Kammermusik als kompositorisches Laboratorium ansah. Gerade in der Kammermusik erprobte Beethoven mit hohem Anspruch und Kunstfertigkeit neueste Ideen und Verarbeitungstechniken – mit großer Vorbildwirkung für nachkommende Komponisten und ihre Werke.

Dass Beethoven selbst auf diesem Werk ein Lernender war und sich etappenweise an immer neue Herausforderungen heranwagte, zeigt die Gruppe seiner Streichtrios. Diese sind in den Opera 3, 8 und 9 zusammengefasst, die zwischen 1792 (op. 3) und 1797 (op. 8) bzw. 1796 – 98 (op. 9) entstanden. Sie entstammen damit alle der Feder des noch sehr jungen Beethoven, einem Mittzwanziger, der soeben von Bonn nach Wien übergesiedelt war. Die Auftragsanlässe und genauen Entstehungsdaten der Werke sind nicht bekannt, jedoch alle Erstdrucke überliefert. Mit op. 9 schloss Beethoven das Komponieren für drei Streichinstrumente ab und wandte sich ganz dem Streichquartett zu. Als Vorbild für Beethovens Streichtrios mag Mozarts Divertimento in Es-Dur KV 563 gedient haben. Zudem gab es Ende des 18. Jahrhunderts ein großes Angebot an Musik für drei Streichinstrumente z. B. von Pleyel, Albrechtsberger oder Boccherini für den privaten oder halb-öffentlichen Bereich. Zu dieser Art von Gesellschaftsmusik gehört auch die am Anfang des Konzerts stehende Serenade op. 8. Wie der Titel schon verrät, ist sie zur angenehmen Unterhaltung gedacht. Darauf deuten auch die einzelnen Sätze hin: So markiert, anknüpfend an eine lange Tradition, ein Marsch am Anfang und am Ende des fünfteiligen Stücks den Auftritt bzw. Abgang der Serenadenmusikerinnen und -musiker im Freien. Dazwischen erklingen leichte Tanzsätze wie Menuett, Polacca und eine Variationenfolge, auf ein Sonatenallegro wird verzichtet.

Humorvolle Überraschungen

Auch wenn "avantgardistische" Bestrebungen in dieser Divertimentomusik nicht anzutreffen sind – so schreibt Beethoven eingängige, allgemeinverständliche Melodien und Rhythmen ohne auffällige Besonderheiten – gibt es doch einige sehr originelle Einfälle. Beethoven wäre nicht Beethoven, würde er nicht ab und zu für Hör-Überraschungen sorgen. So verkoppelt er z. B. im dritten Satz Gegensätzliches, wenn er das opernhaft ausschwingende Adagio durch unerwartet "quirlige" Scherzo-Einschübe unterbricht.

Ohrwurm-Qualitäten besitzt die Polka-Melodie des vierten Satzes. Sie erlangte Berühmtheit in späteren Bearbeitungen, z.B. für Klavier, die allerdings nicht von Beethoven stammen. In der Serenade op. 8 ist das "Allegretto alla Polacca" Teil A eines Rondosatzes, der in gewohnter Regelmäßigkeit abläuft und dessen Formteile (C und D) nach Moll ausweichen. Am Ende einer geistreichen Unterhaltung zwischen Violine und Cello beweist Beethoven in der Coda Sinn für Humor, wenn das Spiel unerwartet abbricht und urplötzlich ins Stocken gerät.

Im Finalsatz, "Tema con variazioni" überschrieben, lässt Beethoven auf das liedhaft-schlichte Thema vier Variationen folgen. Zunächst variiert die Violine, abgelöst wird sie sodann von der Viola, in der dritten Variation erscheint eine Moll-Adaption, die vierte lässt das Thema im Cello-Diskant erklingen. Der anschließende Allegro-Teil ist nicht als Variation überschrieben. Dennoch verändert er durch Aufgreifen motivischer Bestandteile erneut das Thema, sodass in diesem Abschnitt eine Art durchführungsartiges Resümee gezogen wird. Als ob noch eine sechste Variation folgen würde, setzt das Marschthema vom Anfang der Serenade nach einer Achtung gebenden Fermate ein – der Auftakt des Marsches unterstreicht dabei seine Verwandtschaft mit dem Thema das Variationssatzes.