Beethoven als junger Mann
Ludwig van Beethovens frühe Werke werden bisweilen unterschätzt. Sicher, erst in Wien mit seinem internationalen Flair und der beflügelnden Konkurrenz reifte er zum Ausnahmekünstler heran; die Voraussetzungen aber wurden in Bonn gelegt, wo er bis 1792 lebte. Auch dort herrschte ein liberales Klima, gab es exzellente Musiker und intellektuellen Austausch. Unter den Bonner Kompositionen Beethovens sind einige von bemerkenswerter Qualität, etwa die beiden sogenannten Kaiserkantaten. Zudem dürfte ein Gros jener Musik, mit der er in Wien anfangs Furore macht, am Rhein entstanden sein.
Ebenfalls aus der Bonner Zeit, von vor 1792, stammt ein Konzertsatz für Violine und Orchester, der sich in Beethovens Nachlass fand. Auch wenn er nur fragmentarisch überliefert ist, spricht der Zustand des 19-seitigen Autographs dafür, dass Beethoven diesen Satz und vielleicht sogar das gesamte (dreisätzige) Konzert zu Ende komponiert hat. Weitere Informationen, auch zu zeitgenössischen Aufführungen oder Solist:innen, fehlen jedoch.
Das ist bedauerlich, weil es sich bei dem Stück um weit mehr als nur eine Talentprobe handelt. Floskelhaft geht es los, aber schon nach wenigen Takten reichert Beethoven das Material harmonisch und melodisch so an, dass man jederzeit auf neue Überraschungen gefasst sein darf. Da spricht dann schon der reife Komponist, der die einfachsten musikalischen Bausteine (hier: gebrochene Akkorde, Tonleiterausschnitte) so lange hin und her wendet, bis etwas Interessantes, Neues daraus wird. Auch den eher kleinen Bläserapparat nutzt Beethoven sehr geschickt.
Das Erstaunlichste – und für die Zeitgenoss:innen Irritierendste – aber sind die großen Dimensionen dieses Satzes. Beethoven präsentiert den verdutzten Hörer:innen gleich fünf verschiedene Themen, nimmt dabei weite harmonische Umwege in Kauf und gönnt auch der Sologeige einen eigenen Gedanken zum Einstieg. Schade, dass sich nicht mehr nachvollziehen lässt, wie der junge Komponist diese stoffliche Überfülle in eine geschlossene Form brachte; zu hören ist in unserem Konzert eine Vervollständigung von Wilfried Fischer, die 1972 erstmals im Druck erschien.