Drei Malter Korn, zwei Klafter Holz, sechs Bündel Reisig und zudem 85 Gulden – das ist das Gehalt, das Johann Sebastian Bach 1707 im thüringischen Mühlhausen mit seinem kirchlichen Dienstherrn aushandelt. Im April hat Bach in der damaligen Freien Reichsstadt ein Vorspiel auf der Orgel bestanden, und am 1. Juli tritt er an der dortigen Divi-Blasii-Kirche seinen Dienst an. In der Zwischenzeit hat sich in Mühlhausen Dramatisches ereignet: Ende Mai ist die Stadt von einer Feuersbrunst heimgesucht worden. Fast 250 Wohnhäuser brannten dabei nieder, was eine rasante Teuerung nach sich zieht. Dadurch sieht Bach sich nach nur einem Jahr genötigt, die Zelte abzubrechen und sein Glück in Weimar zu suchen. Auch wenn die Zeit in Mühlhausen nur ein Jahr währte, so wirkte sie doch nachhaltig auf Bachs Leben. Hier heiratete der 22-Jährige seine erste Frau Maria Barbara, mit der er zusammen sieben Kinder haben sollte – darunter Wilhelm Friedemann und Carl Philipp Emanuel.
Eines der Werke, die Bach in Mühlhausen komponierte, ist die Kantate "Aus der Tiefen rufe ich, Herr, zu dir" BWV 131. Vermutlich ist sie als Trauergesang auf den großen Stadtbrand zu verstehen – in Auftrag gegeben von Georg Christian Eilmar, dem damaligen Archidiakon an der Kirche Beatae Mariae Virginis. In welchem Zusammenhang das Werk dann uraufgeführt wurde, bleibt zwar im Dunkeln, aber als wahrscheinlich gilt ein Bußgottesdienst im Gedenken an die Opfer des Flammeninfernos.
Der Text der Kantate fußt auf einigen Zeilen des 130. Psalms, und in den Arien kommen zwei Strophen aus dem Lied "Herr Jesu Christ, du höchstes Gut" von Bartholomäus Ringwaldt (1532 – 1599) hinzu. Die Besetzung ist klein, fast kammermusikalisch. Original hat Bach eine Violine und zwei Violen vorgesehen, wohl um den Textgehalt durch eine dunklere Tongebung zu verdeutlichen. Er war aber Praktiker genug, die Stimme der ersten Viola so zu setzen, dass sie ohne Weiteres auch von einer Violine übernommen werden kann. In dieser Gestalt erklingt das Werk in unserer Matinee.