Ludwig van Beethoven - Sinfonie Nr. 7 A-Dur op. 92

WDR Sinfonieorchester Video 24.02.2018 36:50 Min. Verfügbar bis 30.12.2099 WDR 3

Ludwig van Beethoven - Sinfonie Nr. 7 A-Dur op. 92

Stand: 09.03.2018, 12:03 Uhr

  • Teil des Beethoven-Zyklus 2017/2018 unter Jukka-Pekka Saraste
  • Das WDR Sinfonieorchester in der Kölner Philharmonie am 24.02.2018
  • Einführung in die Sinfonie Nr. 7 A-Dur

Von Clemens Matuschek

Wollten Sie nicht schon immer mal einem Komponisten bei der Arbeit über die Schulter blicken? Dann können Sie entweder hinüber nach Bonn ins Beethoven-Haus fahren und die über hundert Seiten studieren, die Beethoven mit Skizzen für seine 7. Sinfonie vollgeschrieben hat. Oder, noch besser: Sie spitzen die Ohren. Der Anfang dieser Sinfonie kommt nämlich einem Besuch in der Werkstatt des Komponisten gleich.

"Orgie des Rhythmus"

Die Musik gehört zunächst den Holzbläsern, die sich bedächtig vorantasten, dann trippeln die Streicher nervös eine Tonleiter hinauf. Doch bald erreicht die Musik einen toten Punkt, einen einzelnen Ton, den Flöten und Geigen ratlos wiederholen. Was nun? Beethovens Lösung: Er belebt den Ton, indem er ihn bewegt, ihm einen Puls verleiht. Das Resultat dieser kompositorischen Herzdruckmassage ist ein fröhlich hüpfender Rhythmus im 6/8-Takt.

Damit ist auch gleich das Thema dieser Sinfonie definiert: Rhythmus! Für Melodien oder komplizierte Strukturmodelle interessiert sich Beethoven in diesem Werk weit weniger als für die rhythmische Komponente, für die pure, elementare Energie der Vortriebskraft. Der erste Satz wird von der Präsenz des tänzerischen 6/8-Taktes so vollständig dominiert, dass der Musikwissenschaftler Romain Rolland gar von einer "Orgie des Rhythmus" sprach.

Auch der zweite Satz reduziert sich auf ein rhythmisches Modell, das einem Trauermarsch gut zu Gesicht stünde, hätte Beethoven ihn nicht mit Allegretto überschrieben. Formal handelt es sich um eine Folge von Variationen – aber eben nicht über eine Melodie, sondern über einen Rhythmus. Die berückend schönen Kantilenen, die sich um dieses Gerüst ranken, und das Nebeneinander von Dur und Moll verleihen dem Satz seine Schubert’sche Wehmut. Schon bei der Uraufführung musste er wiederholt werden, und vor einigen Jahren erfuhr er als Untermalung der Schlüsselszene im Oscar prämierten Film "The King’s Speech" neue Popularität.

Lust an knackigen Rhythmen

Unnötig zu sagen, dass auch das wilde Scherzo ganz auf die Kraft des Rhythmischen setzt – für Ruhe sorgt hier lediglich das zweimal eingeschobene Trio. Am Schluss gönnt sich Beethoven noch einen kleinen Scherz: Er tut so, als setze sich der Wechsel zwischen A- und B-Teil unendlich fort – nur um den Satz mit einigen kräftigen Hieben zu beenden. "Als ob der Komponist die Feder auf den Tisch wirft", empfand es Robert Schumann.

Der letzte Satz schließlich droht von seiner tänzerischen Energie fast erdrückt zu werden; die Lust an knackigen Rhythmen und treibenden Offbeats ist bis ins Exzessive gesteigert. Oft nimmt sich Beethoven noch nicht einmal die Zeit, die Abschnitte durch geschmeidige Übergänge zu verbinden; stattdessen lässt er die Musik lieber mit immer neuem Schwung einsetzen, oft auf unvermuteten Harmoniestufen.

Jukka-Pekka Saraste

Jukka-Pekka Saraste

Die Uraufführung am 8. Dezember 1813 in Wien wurde ein voller Erfolg. Beethoven hatte das Konzert als Benefizgala zugunsten von Kriegsinvaliden deklariert; am selben Abend erklang auch seine Schlachtensinfonie "Wellingtons Sieg" zum ersten Mal. Alle Welt wollte bei dieser musikalischen Feier von Napoleons Niederlage dabei sein, und so konnte Beethoven als Dirigent auf die wohl prominenteste Orchesterbesetzung aller Zeiten zurückgreifen: Antonio Salieri, Louis Spohr, Giacomo Meyerbeer und Johann Nepomuk Hummel spielten im Tutti mit. Beethoven äußerte denn auch "mit innigster Rührung", die Aufführung sei "das Nonplusultra der Kunst" gewesen.

"Reif fürs Irrenhaus"

Spätere Generationen waren dagegen geteilter Meinung über das Werk. Clara Schumanns Vater Friedrich Wieck mutmaßte, die 7. Sinfonie könne "nur im betrunkenen Zustand" komponiert worden sein, und der offenbar noch zarter besaitete Carl Maria von Weber befand gar, Beethoven sei "reif fürs Irrenhaus". Auf offene Ohren stieß die Sinfonie dagegen bei Richard Wagner. Er bezeichnete sie als "Apotheose des Tanzes" – insofern, als Beethoven hier die elementare Kraft des Rhythmischen zu etwas Göttlichem geadelt habe.

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