Alle Vögel sind schon da: Wie sich der Klimawandel auf die Zugvögel auswirkt

Stand: 05.06.2024, 12:48 Uhr

Zugvögel kehren immer früher aus ihren Winterquartieren zurück. Das liegt vor allem am Klimawandel, wie eine neue Studie zeigt. Doch was bedeutet das für die Vögel? Fragen und Antworten.

Mit Sumpfrohrsänger, Wachtel und Turteltaube sind jetzt auch die letzten Vogelarten aus ihren Winterquartieren nach Deutschland zurückgekehrt. Zugvögel haben - wie andere Wildtiere auch - eine Art innere Uhr. Die sagt ihnen, wann sie aus wärmeren Gefilden zu uns zurückkehren sollten. Und diese innere Uhr haben Zugvögel in den letzten Jahren offenbar "vorgestellt".

Die Universität Kassel hat Vogelzugdaten aus einem Zeitraum von 180 Jahren ausgewertet. Ergebnis: Inzwischen kommen die Vögel früher zurück - teilweise mehrere Wochen. Und das liegt, so die Fachleute, ganz entscheidend am Klimawandel.

Was sind die Ergebnisse der Studie?

Die Studie der Universität Kassel zeigt, dass fast alle Vogelarten heute früher zurückkehren als vor 180 Jahren. Je nach Art haben sich die Vögel unterschiedlich an den Klimawandel angepasst. Demnach gibt es Arten, bei denen sich die Rückkehr nur um wenige Tage verändert hat - zum Beispiel beim Baumpieper. Die Schwalbe dagegen kommt laut der Studie schon knapp einen Monat früher zurück.

Dass sich der Klimawandel auf das Verhalten der Zugvögel auswirkt, haben auch schon frühere Studien gezeigt. Dieses Mal stellten die Studienmacher allerdings fest, dass sich die Rückkehr der Vögel stärker nach vorne verschoben hat, als frühere Studien ergeben hatten.

Laut Mit-Autor Fabian Hirschauer wurden bei der Studie nicht nur die eigenen Daten einbezogen. Es seien auch andere Publikationen ausgewertet worden:

"Die Gesamt-Betrachtung der Studien zeigt ein klares Bild: Der Klimawandel ist einer der deutlichsten Faktoren für die Verfrühung" Fabian Hirschauer, Lehrbeauftragter Uni Kassel

Die Anpassung an den Klimawandel gelinge den Vogelarten besser, die nur kurze oder mittlere Strecken ziehen. Hier sei das Zugverhalten viel stärker genetisch festgelegt.

Wie wirkt sich der Klimawandel auf das Zugverhalten der Tiere aus?

Der Klimawandel sorgt dafür, dass Vögel ihr Verhalten ändern. Überwinterten die Vögel früher lange in Nordafrika, Portugal oder Südspanien, haben sich ihre Flugrouten wegen des Klimawandels inzwischen deutlich verkürzt. Nordspanien und Frankreich sind inzwischen die wichtigsten Winterquartiere.

Weil die Winter auch in Deutschland milder geworden sind, werden manche Zugvögel zu Standvögeln. In den letzten Jahren versuchen zum Beispiel immer mehr Kraniche, bei uns zu überwintern. Wenn das Nahrungsangebot im Winter ausreicht, kann so manche Art auf die beschwerliche Reise in den Süden verzichten.

Auch bei den Tieren, die unterwegs sind, gebe es teils frappierende Entwicklungen, sagt Martin Rode, Geschäftsführer des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND) in Bremen. So habe etwa die Mönchsgrasmücke aufgrund des Klimawandels die Route komplett umgestellt:

"Früher zogen die Vögel im Winter an das Mittelmeer, heute fliegen viele von ihnen nach Südengland, weil es dort für sie jetzt mild genug ist. Martin Rode, Geschäftsführer BUND in Bremen

Das bedeute kürzere Zugwege und eine größere Chance, bei der schnelleren Rückkehr in Deutschland bessere Brutplätze zu ergattern. Langstreckenzieher wie die Nachtigall, die Gartengrasmücke oder der Pirol seien dagegen nicht so flexibel.

Verhalten von Zugvögeln verändert sich

WDR Studios NRW 05.06.2024 02:00 Min. Verfügbar bis 05.06.2026 WDR Online


Welche Nachteile hat das für Vögel?

Für Langstreckenzieher kann das laut Rode problematisch sein. So seien die Ankunfts- und Brutzeiten der Populationen nicht mehr synchron zu den Spitzenzeiten der Insektenvermehrung. Das Kranichzentrum vom Naturschutzbund (NABU) in Mecklenburg-Vorpommern beobachtet, dass die in Deutschland brütenden Kraniche immer früher zurückkehren, um ihren Brutplatz frei wählen zu können. Der Nachteil: Die Vögel sind Wintereinbrüchen und Spätfrösten im zeitigen Frühjahr deutlich stärker ausgesetzt.

Der Kuckuck könnte unter den Zugvögeln zum Verlierer des Klimawandels werden. Denn der Langstreckenzieher hat sein Verhalten bisher nicht geändert. Kommt er wie immer im April aus Afrika zurück, braucht er ein fremdes Nest, dem er sein Ei unterjubeln kann. Wenn die anderen Vögel aber schon viel früher zurück sind um zu brüten, gerät dieser Zeitplan durcheinander und der Nachwuchs des Kuckucks bleibt aus.

Die Klimaerwärmung könne auch dazu führen, dass Singvögel wie Meisen und Amseln aus den skandinavischen Ländern nicht mehr als Wintergäste zu uns kommen, sondern im Norden bleiben, sagt Martin Rümmler vom NABU. Dies ließen Beobachtungen bei Wasservögeln wie Enten und Blesshühnern vermuten, ergänzt Wolfgang Fiedler vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie. "Es sieht so aus, als ob diese nicht mehr den weiten Weg aus dem Nordosten Europas zu den großen Seen im Alpenvorland machen."

Unsere Quellen:

  • Studie der Universität Kassel
  • Naturschutzbund (BUND)
  • Hessischer Rundfunk (HR)
  • WDR-Wissenschaftsredaktion QUARKS
  • Nachrichtenagentur DPA

Über dieses Thema berichtet der WDR am 5.6.2024 auch im Radio, im "Tag um 6" auf WDR4.