Postfaktisch, Heißzeit, GroKo: Die Wörter des Jahres seit 2013

Von Ingo Neumayer

"Krisenmodus" ist das Wort des Jahres 2023. Ein Rückblick auf die vergangenen Jahre zeigt: Oft sind es negative Ereignisse und Themen, die die Wahl entscheiden.

Angela Merkel (CDU) unterhält sich am 19.03.2014 zu Beginn der Sitzung des Bundeskabinetts im Bundeskanzleramt in Berlin mit Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (l) neben Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (M, beide SPD)

Große Koalitionen auf Bundesebene gab es schon von 1966 bis 1969 sowie von 2005 bis 2009. Doch erst beim dritten Mal wurde daraus die "GroKo": Bei der Bundestagswahl 2013 flog die FDP aus dem Parlament, was die Koalitionsoptionen deutlich verringerte. Das Bündnis zwischen CDU und SPD regierte von 2013 an für acht lange Jahre. "GroKo" schaffte es als erste Abkürzung zum "Wort des Jahres" und verwies den "Protz-Bischof" Tebartz-van Elst (falls sich an den noch jemand erinnert) auf Platz zwei.

Große Koalitionen auf Bundesebene gab es schon von 1966 bis 1969 sowie von 2005 bis 2009. Doch erst beim dritten Mal wurde daraus die "GroKo": Bei der Bundestagswahl 2013 flog die FDP aus dem Parlament, was die Koalitionsoptionen deutlich verringerte. Das Bündnis zwischen CDU und SPD regierte von 2013 an für acht lange Jahre. "GroKo" schaffte es als erste Abkürzung zum "Wort des Jahres" und verwies den "Protz-Bischof" Tebartz-van Elst (falls sich an den noch jemand erinnert) auf Platz zwei.

Mit der "GroKo" hatte die Gesellschaft für deutsche Sprache ein gutes Händchen bei der Auswahl, denn der Begriff ist heute noch im Sprachgebrauch. Was man vom Gewinner des Jahres 2014 nicht sagen kann: Die "Lichtgrenze" war ein Kunstprojekt in Berlin, das auf den Mauerfall 25 Jahre zuvor Bezug nahm. Das Wort spiegele die großen Emotionen wider, die das Ende der DDR immer noch hervorriefen, hieß es in der Begründung. Heute verbinden wohl nur wenige Menschen etwas mit dem Begriff.

"Wir schaffen das!" dürfte der Satz des Jahres 2015 gewesen sein, und folgerichtig war "Flüchtlinge" dann auch das Wort des Jahres - oft in Zusammenhang mit negativ wertenden Begriffe wie Flut, Strom oder Krise. 890.000 Menschen suchten 2015 Schutz in Deutschland und veränderten die Politik nachhaltig: Der Aufstieg der AfD, die fragwürdigen bis menschenverachtenden Flüchtlingsdeals der EU - vieles hatte seinen Ursprung im Jahr 2015.

Wenn Tatsachen weniger zählen als Meinungen oder "gefühlte Wahrheiten", ist man im Modus des "Postfaktischen" angekommen. Das kann ein harmloser Spaß sein, wenn eine Kinderheldin wie Pippi Langstrumpf sich die Welt macht, widde-widde-wie sie ihr gefällt. Oder eben gefährlich, wenn ein notorischer Lügner und Wirklichkeitsverdreher wie Donald Trump an die Macht kommt. Und so war es auch kein Wunder, dass sein Wahlsieg in den USA und die Kür von "postfaktisch" zum Wort des Jahres 2016 nur wenige Wochen auseinander lagen.

"Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren": Mit diesen Worten beendete FDP-Chef Christian Lindner die Sondierungsgespräche zwischen Union, Grünen und FDP nach der Wahl 2017. Die Folge war das "Jamaika-Aus", das zum Wort des Jahres gekürt wurde - und dafür sorgte, dass Deutschland vier weitere Jahre mit dem Gewinner des Jahres 2013 leben musste: der "GroKo".

Der Klimawandel ist seit Jahren als eine, wenn nicht die größte Herausforderung für die Menschheit identifiziert. 2018 spiegelte sich das dann beim Wort des Jahres wider, zu dem "Heißzeit" erklärt wurde. Mit dem Thema lag die Jury dabei bestimmt richtig, bei der Auswahl eher weniger. Denn im Gegensatz zu "Zwei-Grad-Ziel", "Kipppunkt" oder "Dekarbonisierung" hat sich "Heißzeit" in der Diskussion nie flächendeckend durchgesetzt.

Deutschland wird immer älter, die Themen, die Menschen im Ruhestand beschäftigen, immer wichtiger. Kein Wunder, dass 2019 die "Respektrente" zum Wort des Jahres wird, als die "GroKo" über die Grundrente debattiert, die 2020 beschlossen wird. Mit dem Wort soll zum Ausdruck gebracht werden, dass es neben den reinen Sozialversicherungsbeiträgen auch eine Art "Lebensleistung" gibt, die sich am Ende eines langen Arbeitslebens gelohnt haben soll.

2020 ist das Jahr, in dem Covid-19 bei uns ankommt. Keine Überraschung also, dass "Corona-Pandemie" zum Wort des Jahres erklärt wird. Auch das Unwort des Jahres hat damit zu tun. Es lautet "Corona-Diktatur".

Im Jahr danach bestimmt Corona weiterhin das Leben, die Schlagzeilen und die Begrifflichkeiten. Der "Wellenbrecher" wird Wort des Jahres 2021, im selben Zusammenhang wären auch "Lockdown light", "Kontakte reduzieren", "vor die Welle kommen", oder "Irgendwas mit Impfen" zu nennen. Alles mit dem selben Ziel: Die Ausbreitung des Virus sollte verhindert werden.

Bundeskanzler Olaf Scholz gilt nicht als Mann des Wortes. Sein Talent als Redner wird angezweifelt oder gar verspottet, in Erinnerung blieben seine Sätze selten. Doch nach dem russischen Angriff auf die Ukraine spricht er im Februar 2022 im Bundestag von einer "Zeitenwende" - und bringt so das Gefühl und Geschehen des Jahres sehr prägnant auf den Punkt.

Und auch das Wort des Jahres 2023 steht in der Tradition der eher negativen Begriffe und beschreibt unter anderem die Arbeitsbedingungen der Bundesregierung: Es lautet "Krisenmodus". Der Ausnahmezustand sei zum Dauerzustand geworden, hieß es in der Begründung der Jury. Gefühle wie Unsicherheit, Ängste, Wut, Hilflosigkeit und Ohnmacht prägten den Alltag vieler Menschen. Was bleibt, ist die Hoffnung, dass es im neuen Jahr mal wieder ein positiver oder zumindest neutraler Begriff zum Wort des Jahres schafft. Wie wärs denn zum Beispiel mit "Heim-Europameister"?

Stand: 08.12.2023, 16:06 Uhr