Elternzeit für Großeltern: Passt Schwedens Modell auch für Deutschland?

Stand: 03.07.2024, 18:43 Uhr

In Schweden können Eltern seit Montag einen Teil ihres Anspruchs auf Elternzeit und Elterngeld an die Großeltern oder Freunde übertragen. Ein Konzept, das für Deutschland interessant wäre?

Von Asmund Nottekämper

Nach einem afrikanischen Sprichwort braucht es ein Dorf, um ein Kind großzuziehen. Für Eltern ist es oft schwer, Kinderbetreuung und Job unter einen Hut zu bringen. Dabei helfen die Großeltern auch in Deutschland bei der Betreuung sehr oft aus. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung haben repräsentative Datensätze der Jahre 1997 bis 2020 ausgewertet. Ergebnis: Ein Drittel der Kinder unter zehn Jahren wird regelmäßig von den Großeltern betreut.

Oma und Opa sind oft ein fester Bestandteil der frühkindlichen Erziehung - neben Krippe, Kita und Hort. Allerdings bekommen die Großeltern dafür in der Regel kein Geld vom Staat.

Das schwedische Modell

In Schweden gilt seit Montag ein neues Gesetz. Danach haben Eltern die Möglichkeit, einen Teil ihres eigenen Anspruchs auf bezahlte Elternzeit an Familienangehörige und Freunde zu übertragen. Paare können jeweils 45 von maximal 480 Tagen weitergeben und Alleinerziehende drei Monate. In Schweden richtet sich das Elterngeld nach der Höhe des Einkommens und wird bis zu 16 Monate lang ausgezahlt.

Schwedens Elternzeit-Modell: "Ziemlich genial" WDR 5 Morgenecho - Interview 03.07.2024 06:19 Min. Verfügbar bis 03.07.2025 WDR 5

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Die Soziologin Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB), findet das schwedische Konzept sehr gut, weil dadurch auch Alleinerziehende besser abgesichert würden. "Wenn man da an Alleinerziehende denkt, die es enorm schwer haben, weil sie enorme Karriereeinbußen haben: Da ist es super, wenn die Großeltern des Kindes oder andere familiennahe Personen einsteigen können."

Das deutsche System krankt

Unterstützung durch die Großeltern | Bildquelle: imageBROKER / newspixx vario images

In Deutschland muss die ältere Generation die Versäumnisse bei der staatlichen Kinderbetreuung ausgleichen. Laut Berechnungen der Bertelsmann Stiftung fehlen in Deutschland 430.000 Kita-Plätze. In den westdeutschen Bundesländern ist das Problem besonders groß - und entsprechend auch der Bedarf an Unterstützung aus Familien- und Freundeskreis.

Die Konsequenzen tragen vor allem Frauen

Immer noch leisten Frauen in Deutschland den Löwenanteil an der Erziehungs- und Beteuungsarbeit. Durchschnittlich gehen die Mütter für ungefähr 14 Monate in Elternzeit, die Väter aber nur knappe vier Monate. Dadurch haben Frauen nicht nur während der Elternzeit Lohneinbußen, sondern auch Nachteile auf dem Arbeitsmarkt. Viele arbeiten anschließend häufiger in Teilzeit als Männer. Das liegt auch daran, dass das Angebot an Ganztagesbetreuung nicht ausreicht. Als Konsequenz fehlen die oft gut ausgebildeten Frauen auf dem Arbeitsmarkt.

Häufig sind die Großeltern noch nicht in Rente. Laut einer Forsa-Umfrage gaben 57 Prozent der 50- bis 64-Jährigen an, dass sie regelmäßig ihre Enkel betreuen. Ein Großteil dieser Gruppe opfert also seine Freizeit, um den eigenen Kindern den Rücken freizuhalten. In dem neuen schwedischen Konzept hätten sie mehr Zeit für die Betreuung ihrer Enkelkinder - und gegebenenfalls würden auch ihre Lohneinbußen kompensiert.

Quellen

  • Mikrozensus Statistisches Bundesamt
  • DIW Berlin
  • OECD
  • Bertelsmann Stiftung
  • Forsa