Nazi-Gegner, Kanzler, Staatsmann: Die wichtigsten Stationen aus Willy Brandts Leben

Von Katja Goebel

Widerstandskämpfer, Nazigegner, Bürgermeister, Kanzler, Nobelpreisgewinner, Staatsmann - Willy Brandt hat ein bewegtes Leben geführt. Die wichtigsten Stationen seines Lebens.

Willy Brandt als Kleinkind mit seiner Mutter

Willy Brandt wird am 18. Dezember 1913 als Herbert Ernst Karl Frahm geboren. Schon als Jugendlicher tritt er in die SPD ein, verlässt sie aber bald wieder, da sie ihm nicht konsequent genug ist.

Willy Brandt wird am 18. Dezember 1913 als Herbert Ernst Karl Frahm geboren. Schon als Jugendlicher tritt er in die SPD ein, verlässt sie aber bald wieder, da sie ihm nicht konsequent genug ist.

1933 flieht er vor den Nationalsozialisten nach Norwegen. Dort nennt er sich Willy Brandt und studiert Geschichte. Er wird norwegischer Staatsbürger, arbeitet als Journalist und kehrt erst nach dem Krieg wieder nach Deutschland zurück.

"Er war ein junger, aufstrebender und auch rhetorisch sehr gewandter und vor allem auch weltläufiger Politiker durch die Zeit im Exil", beschreibt ihn die Historikerin Kristina Meyer. Die Politikwissenschaftlerin forscht für die Willy-Brandt-Stiftung in Berlin.

Im Nachkriegsdeutschland macht Brandt bei der SPD politische Karriere. Er wird Bundestagsabgeordneter, dann Regierender Bürgermeister von Berlin. In seiner Zeit dort errichtet die DDR 1961 die Mauer zur BRD.

Brandt hat das Zeug, Menschenmassen mit seinen Reden zu berühren. So bleibt auch seine Rede am 1. Mai 1959 am Brandenburger Tor im Ohr: "Es wird der Tag kommen, an dem das Brandenburger Tor nicht mehr an der Grenze liegt. (...) Macht das Tor auf." 500.000 Menschen sind zum Platz der Republik gekommen. Gleichzeitig setzt er auf die Verbesserung der Beziehung zwischen BRD und DDR.

Von der konservativen Politik und Öffentlichkeit wird diese Entspannungspolitik misstrauisch beäugt. Man vermutet eine ideologische Annäherung an kommunistische Staaten. "Es ging ihm mit der Politik der kleinen Schritte darum, Verbesserungen für die Menschen zu erwirken, die durch die Mauer voneinander getrennt waren", erklärt Historikerin Kristina Meyer.

Brandt wird zu einem deutschen Kennedy hochstilisiert, die SPD macht ihn für die Bundestagswahl 1961 erstmals zum Kanzlerkandidaten. Nach zwei verlorenen Wahlen - 1961 gegen Konrad Adenauer, 1965 gegen Ludwig Erhard - will Brandt eigentlich nicht mehr als Kanzlerkandidat antreten. Nachdem Erhard aber zurücktritt, wird Brandt in einer Großen Koalition unter Kanzler Kurt Georg Kiesinger Außenminister und Vizekanzler.

Bei der Bundestagswahl 1969 ist es dann soweit: Nach 20 Jahren, in denen immer die CDU den Kanzler stellt, holen SPD und FDP (im Bild rechts: FDP-Vorsitzender Walter Scheel) zusammen genug Mandate für eine Mehrheit im Bundestag. Willy Brandt wird Kanzler und gibt sein neues Credo bekannt: "Mehr Demokratie wagen". Das heißt auch: mehr gesellschaftliche Teilhabe für Bürger.

Dieses Bild geht um die Welt. Der Bundeskanzler kniet 1970 bei einem Besuch plötzlich und unerwartet vor dem Ehrenmal des jüdischen Ghettos in Warschau. Damit bittet er um Verzeihung für die Nazigräuel. Polen hatte im Zweiten Weltkrieg enorm unter der grausamen deutschen Besatzung gelitten - Millionen Menschen waren hier ermordet worden.

Brandt setzt weiter auf Versöhnung. Es kommt 1970 zum "Warschauer Vertrag". Darin verzichten Deutschland und Polen unter anderem auf gegenseitige Gebietsansprüche und verpflichten sich zur friedlichen Konfliktlösung. Das Bild zeigt ihn mit dem polnischen Ministerpräsident Josef Cyrankiewicz.

1971 erhält Brandt für seine Entspannungspolitik den Friedensnobelpreis.

Doch nicht jeder hat Verständnis für seine Ostpolitik (im Bild: Brandt beim Besuch des sowjetischen Staatschefs Leonid Breschnew). Man beschimpft ihn als "Vaterlandsverräter". Verkauft fühlen sich nicht nur deutsche Vertriebenen, die auf eine Rückkehr in ihre alte Heimat hoffen. Auch die Opposition spricht offen vom "Ausverkauf deutscher Interessen". Seine Ostpolitik bringt Brandt schließlich ein Misstrauensvotum ein.

Am Tag vor der Abstimmung gehen viele Menschen in Deutschland auf die Straße, um ihre Solidarität für Brandt und seine Ostpolitik zu demonstrieren. Am Ende bleibt Brandt dank einem hauchdünnem Vorsprung von zwei Stimmen im Amt. Und die sind, wie man Jahrzehnte später erfährt, von der Stasi gekauft.

Die Koalition von SPD und FDP setzt unter Willy Brandt viele Reformen durch. Durch den Ausbau der Sozialversicherung erhalten viele Menschen mehr Schutz bei Krankheit und höhere Renten. Das Bafög wird eingeführt, die Regierung setzt sich für mehr Frauenrechte ein.

Doch 1973 erschüttert die Ölkrise das Land, große Arbeitslosigkeit und die hohe Staatsverschuldung lassen viele angedachte Reformen auch schnell wieder stocken. Die Bundesregierung verhängt Energiesparmaßnahmen. Die Umfragewerte sinken. Auch in den eigenen Reihen wächst die Kritik.

Dann der Paukenschlag: Am 24. April 1974 wird Günter Guillaume (im Bild mit Sonnenbrille), der als Referent im Kanzlerbüro arbeitet, als DDR-Spion verhaftet. Ein Skandal. Willy Brandt tritt als Kanzler zurück. Er übernimmt die politische Verantwortung dafür, dass sich ein DDR-Agent in das Machtzentrum der Bundesrepublik einnisten konnte. Viele rechnen ihm das hoch an.

Die persönliche Niederlage ist auch ein Neuanfang. Denn nach seinem Rücktritt als Kanzler bleibt Willy Brandt ein gefragter Staatsmann. Er genießt internationales Ansehen als Friedens- und Entwicklungspolitiker. Ein Lebensziel verwirklicht sich für ihn 1990: die Deutsche Einheit.

Willy Brandt stirbt 1992. Mit einem Staatsakt werden die Trauerfeierlichkeiten am Berliner Reichstagsgebäude begangen. Auch viele Berliner dürfen Abschied nehmen. Sie stehen lange vor dem Schöneberger Rathaus an, wo der Sarg aufgebahrt ist.

Die Mini-Serie "WILLY - Verrat am Kanzler" erzählt in vier Folgen die Hintergründe von Brandts Rücktritt - aus der Sicht von Frauen. Verfügbar ab dem 24. April in der ARD-Mediathek.

Stand: 24.04.2024, 06:00 Uhr