Reaktionen auf EU-Abstimmung über Pflanzenschutzmittel-Verbot Lokalzeit Südwestfalen 22.11.2023 Verfügbar bis 22.11.2025 WDR Von Ulf Priester

Landwirte in Soester Börde erleichtert: Verbot von Pflanzenschutzmitteln gescheitert

Stand: 22.11.2023, 20:00 Uhr

Eigentlich sollte der Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln in der EU bis 2030 deutlich verringert werden. Das Gesetzespaket wurde am Mittwoch aber abgelehnt - zur Erleichterung vieler Landwirte.

Von Heinrich Buttermann

Besonders im Kreis Soest ist die Erleichterung groß. Über die Hälfte der landwirtschaftlichen Anbauflächen dort liegen in einem Vogelschutzgebiet. Dort hat auch Landwirt Andreas König aus Bad Sassendorf seine Ackerflächen. Er baut Kartoffeln, Zuckerrüben, Weizen und auch Raps an.

Monokulturen statt Flickenteppich

"Ohne Pflanzenschutz geht das nicht", betont er. Wenn sich das Verbot durchgesetzt hätte, würde der Kreis Soest von oben aus der Luft nicht mehr wie bisher wie ein Flickenteppich aussehen, sondern sehr monoton. "Maispflanzen als Beispiel sind nicht so empfindlich: Überall würden große Maismonokulturen entstehen."

Genau davor hatten auch Vogelschützer Angst. Deshalb hatte sich auch die Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz auf die Seite der Landwirte gestellt. "Natürlich ist es wichtig, so schnell wie möglich auf Spritzmittel zu verzichten", erklärte der ABU-Vorsitzende Joachim Drüke, aber: Große Monokulturen würden der Vogelwelt auch nicht weiterhelfen.

"Für Landwirte geht es um die Existenz"

Schützenhilfe hatten die Bauern im Kreis Soest auch von Landrätin Eva Irrgang bekommen. "Für viele Landwirte hier in der Soester Börde geht es um die Existenz", erklärte sie - und verwies ebenso wie die ABU auf die jahrzehntelange gute Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Umweltschutz.

Besonders durch Förderprogramme waren zum Beispiel Nester der seltenen Wiesenweihe geschützt worden: Bauern machten um die Gelege einen großen Bogen und wurden dafür entschädigt. Mechanische Unkrautbekämpfung könnten zu einer zusätzlichen Gefahr für seltene Bödenbrüter werden: Die Nester würden durch Hacken oder Striegel zerstört.

Erleichterung - und große Enttäuschung

Die Landwirte im Kreis Soest sahen ihre Höfe in großer Gefahr - und protestierten. Zuletzt am Wochenende standen mehrere hundert Bauern mit Treckern an Bundesstraße 1 und weiteren Hauptverkehrsstraßen zwischen Geseke und Unna: Mahnfeuer wurden entfacht, Banner malten das Bild eines großen Höfe-Sterbens.

Sarah Wiener | Bildquelle: picture alliance/Geisler-Fotopress

Jetzt die große Erleichterung bei den Landwirten - und die große Enttäuschung auf der anderen Seite. "Es ist ein schwarzer Tag für die Umwelt und Europas Landwirte", erklärte Sarah Wiener im EU-Parlament. Die österreichische Grüne hatte das Gesetz vorbereitet.

Bis zuletzt war über fast 700 Änderungsanträge abgestimmt worden - zum Teil mit sehr knappen Mehrheiten. Die Ablehnung des Gesamtpakets - 299 Abgeordnete stimmten dagegen, nur 207 dafür - kam deshalb für viele Parlamentsbeobachter überraschend.

"Die Artenvielfalt hat extrem gelitten"

Der aktuelle Kommentar von Ralf Jost von der Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz im Kreis Soest: "Es ist schade, dass jetzt die Reduzierung der Pestizide komplett gescheitert ist. Denn keine Frage: Die Artenvielfalt hat in den vergangenen Jahren extrem gelitten - und dagegen muss etwas getan werden."

Europa-Flaggen vor dem EU-Parlament | Bildquelle: imago/Panthermedia

Die Abstimmung am Mittwoch im EU-Parlament war mit Spannung erwartet worden: Die EU-Kommission hatte ein umfangreiches Verbot von chemischen Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft ausgearbeitet. Bis zum Jahr 2030 sollte der Chemie-Einsatz auf den Feldern um 50 Prozent verringert werden.

In sensiblen Schutzgebieten sollte komplett auf das Spritzen der Felder verzichtet werden - was auf große Kritik von Bauernvertretern gestoßen war. Die Befürworter der Neuregelung hatten darauf verwiesen, dass der Chemie-Einsatz für ein großes Artensterben in der Insektenwelt sorge.