Erinnerung an Novemberpogrome: Jugendliche putzen Stolpersteine

Stand: 08.11.2024, 14:22 Uhr

In Dülmen säubern Schüler der Hermann-Leeser-Realschule Stolpersteine. Diese erinnern an die Verschleppung und Ermordung vieler jüdischer Bürger in der Nazi-Zeit.

Von Marco Poltronieri

Es ist der 9. Novermber 1938: Auch in Dülmen im Kreis Coesfeld brennt eine Synagoge, Nationalsozialisten verschleppen jüdische Bürger. Es ist die Pogromnacht; diese Nacht war das offizielle Signal zum größten Völkermord in der früheren Geschichte.

"Drangsaliert, misshandelt, geschlagen, verschleppt und ins Gefängnis gesteckt, das gab es auch hier", erzählt Christiane Altenbockum, Lehrerin an der Hermann-Leeser-Schule.

Stolpersteine putzen gegen das Vergessen

Schüler putzen Stolpersteine | Bildquelle: WDR/ Markus Poltonieri

Die Lehrerin ist mit der Klasse 8a unterwegs und hat sich das Haus in der Borkenerstraße 8 vorgenommen. Dort weisen sieben in den Gehweg eingelassene Stolpersteine daraufhin, dass hier Angehörige der jüdischen Familien Salomon und Frankenberg wohnten. Bis die Nazis sie abholten.

Mit Sprühflaschen, Papiertüchern und verschiedenen Putzmitteln schrubben die Schüler, bis die mit Messing überzogenen Stolpersteine wieder glänzen und die Namen gut lesbar sind.

Jugendliche zeigen Betroffenheit

Das Besondere: Nicht nur die älteren, geschichtsinteressierten Schüler machen mit, auch viele jüngere beteiligen sich an der Putz-Aktion. Nelly aus der 8. Klasse ist mit Feuereifer dabei.

"Was die da mit den Leuten gemacht haben, ist richtig blöd. Und echt gemein." Nelly, Schülerin Hermann-Leeser-Realschule

So fasst die 13-Jährige ihre Gefühle zusammen. Und schrubbt weiter.

46 Stolpersteine gibt es in Dülmen

In der Pogromnacht brannte in Dülmen die damalige Synagoge, Juden wurden verhaftet. Unter ihnen: Hermann Leeser, jüdischer Fabrikant am Ort. Seine niederländische Frau und die beiden Töchter durften Deutschland Richtung Holland verlassen. Der Vater aber, Hermann Leeser, nahm sich in der Haft das Leben.

Stolpersteine sind in viele Gehwege eingelassen. | Bildquelle: Marco Poltronieri

Die Gräueltaten der Nazis nicht vergessen und die Erinnerungskultur hochhalten: Das hat sich die nach Hermann Leeser benannte Realschule seit Jahren auf die Fahne geschrieben. Seit Tagen säubern die Schüler die in der Stadt verteilten Stolpersteine. 46 gibt es, überall sind sie zu sehen. Fast jeder Stolperstein steht für Erniedrigung, Deportation ins Konzentrationslager, Tod.

Rosen für die Opfer

Erstrahlen die Stolpersteine wieder in altem Glanz, legen die Schüler anschließend weiße Rosen nieder und gedenken der Opfer. "Für jeden Stein eine Blume", sagt Christiane Altenbockum. Dann lesen die Schüler und Schülerinnen laut vor, was über die Schicksale der ehemaligen jüdischen Bewohner bekannt ist – bevor sie zu den nächsten Häusern und den nächsten Stolpersteinen weiterziehen.

Erinnerung an Reichspogromnacht: Jugendliche putzen Stolpersteine WDR Studios NRW 08.11.2024 00:47 Min. Verfügbar bis 08.11.2026 WDR Online

Unsere Quellen:

  • WDR-Reporter vor Ort
  • Interviews mit Schülern und Lehrern